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Denkmal des Monats

April: Mitra, Domschatz, Halberstadt

Die auf das üppigste mit Perlen bestickte, bischöfliche Kopfbedeckung führt die Prachtentfaltung des mittelalterlichen Gottesdienstes, aber auch die große Kunstfertigkeit der zeitgenössischen Textilkunst eindrucksvoll vor Augen (Abbildung 1). Die Mitra ist bis auf zwei ehemals an der Rückseite herabhängende, breite Bänder nahezu vollständig erhalten und wirkt in der Farbigkeit der Schmuckelemente erstaunlich frisch.

Neben vergoldeten Schmuckblechen und farbigen Steinen in goldenen Fassungen beeindruckt vor allem die Vielfalt an kleinen Perlen, die aus roten Korallen, bunten Glasflüssen und vergoldetem Metall hergestellt und mit Flussperlen kombiniert wurden. Lange Zeit meinte man, dass diese Perlen importiert wurden. Es gibt jedoch Zeugnisse dafür, dass Flussperlmuscheln auch in einheimischen Gewässern in größerer Zahl anzutreffen waren, bevor sie im 18. Jahrhundert durch Raubbau fast gänzlich ausgerottet wurden. Deshalb können für die niedersächsischen Perlstickereien – zu denen die Mitra gehört – durchaus Perlen etwa aus den in der Lüneburger Heide nachgewiesenen Vorkommen verwendet worden sein. Den Hintergrund für die auf mustergenau ausgeschnittenes Pergament gestickten Perlarbeiten bildet eine dünne Goldfolie. Die beiden Schmuckborten, Circulus und Titulus genannt, sind an dieser Mitra besonders breit und aufwendig gestaltet.

Horizontal umziehen die Mitra vielfach ineinander geschlungene Ranken mit Weinblättern, in die auf der Vorder- und Rückseite jeweils zwei vierpassförmige Medaillons eingebunden sind. Miniaturartig zeigen sie Darstellungen aus der mittelalterlichen Tiersymbolik, die in dem seit frühchristlicher Zeit ungemein populären Kompendium des Physiologus aufgezeichnet war: Auf der Detailabbildung der Vorderseite fliegt ein Adler aus seinem Nest empor mit einem Jungvogel im Fang (Abbildung 2). In der heilsgeschichtlichen Ausdeutung fährt der Adler Christus gleich zur Sonne, dem Sinnbild Gottes, auf, dem er ein Menschenkind zuführt. In dem benachbarten Medaillon ist der mit seinem Blut die getöteten Jungen belebende und nährende Pelikan dargestellt. Auf der Gegenseite erhebt sich der Phönix mit weit ausgebreiteten Flügeln aus seiner Asche, und ein Löwe beugt sich über seine im Nest liegenden, totgeborenen Jungen, um sie mit seinem Atem zum Leben zu erwecken. Alle vier Motive sind Allegorien der Auferstehung Christi und versinnbildlichen die christliche Hoffnung auf die Auferweckung von den Toten. Dieser zentrale Glaubensinhalt findet einen sichtbaren Ausdruck in besonderer Weise in der Feier des Osterfestes, für welchen Anlass die kostbare Mitra wohl bestimmt war.


Text: Dorothee Honekamp-Könemann
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

 

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