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Denkmal des Monats

November 2016: Schloss Coswig, Coswig (Anhalt)

Das zwischen 1670 und 1678 errichtete Schloss Coswig besitzt für die Geschichte der barocken Schlossbaukunst und die Entwicklung ihrer Typologie in Anhalt und ganz Deutschland fundamentale Bedeutung. Es gilt als die Geburtsurkunde des Barock in Anhalt (Abbildung 1). Bauherrin war die verwitwete Fürstin Sophia Augusta von Anhalt-Zerbst, eine geborene Herzogin zu Schleswig-Holstein-Gottorf, Schwester der verwitweten Königin Hedwig Eleonora von Schweden.
Der nördliche Wohntrakt, das Corps de Logis, ist von 1670 bis 1674 unter Bezugnahme auf ältere Vorbilder wie die Schlösser in Dessau, Torgau, Weimar oder Berlin entstanden. Vermutlich im Frühjahr 1675 entwarf der niederländische Baumeister Cornelis Ryckwaert eine Erweiterung, bei der dem Kerngebäude nach Süden niedrigere Flügelbauten angefügt wurden, die einen fast gleichseitigen Hof umschließen und in turmartigen Pavillons enden, deren Welsche Hauben mit den Zwerchhäusern an den Stirnseiten des Corps de Logis, und deren jetzt verlorenen Laternen mit der Laterne des Wendelsteins korrespondierten. Zwischen diese ist ein wiederum niedrigerer Querflügel gespannt, der den Hof zur Elbe hin nach Süden abschließt, und dessen Flachdach als Aussichtsterrasse den weiten Blick in die Flussauenlandschaft des gegenüberliegenden Wörlitzer Winkels ermöglicht. Unverkennbar knüpfte Ryckwaert damit an die Leitbauten der zeitgenössischen französischen Architektur wie den Louvre und das Palais du Luxembourg in Paris, die Schlösser Richelieu, Coulommiers, Montceaux und andere an.

Coswig war nicht der erste Schlossbau in Deutschland, der sich an diesen französischen Beispielen orientierte. Vergleichbare Konzepte charakterisier(t)en allein in Mitteldeutschland Schloss Friedenstein in Gotha (1643/54), den 1661 begonnenen Kernbau des Potsdamer Stadtschlosses, die Schlösser Wilhelmsburg in Weimar (1651/62), Moritzburg in Zeitz, ab 1657, und Neu-Augustusburg in Weißenfels (ab 1660). Der Bautyp aus Corps de Logis, niedrigeren Seitenflügeln mit Satteldächern, haubengedeckten Kopfpavillons sowie begehbarer Galerie wurde jedoch nirgendwo so vollständig übernommen wie hier. In Coswig wurden ab 1675 nicht nur einzelne Elemente oder Architekturformen kopiert, sondern die Gesamtstruktur der französischen Vorbilder dem Plan zugrunde gelegt.

Eine besondere Leistung des Baumeisters war die Anpassung des idealen Schemas an die geographische Lage. Durch die Nähe zur Elbe konnte die Einfahrt weder durch ein Hauptportal in der südlichen Galerie noch durch das bereits bestehende Corps de Logis erfolgen. Ryckwaert verlegte die Zufahrt deshalb in den Ostflügel, den er mit einer repräsentativen Schaufassade dekorierte, die dem fürstlichen Schlossbau bislang fehlte (Abbildung 2). Die Formensprache entspricht dem Stil des barocken Palladianismus, wie er seit Mitte des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden verbreitet war. Die plastische Dekoration der Portalfassade im Stil der flämischen Rubens-Nachfolge gehört zu den wichtigsten Zeugnissen der frühen Barockskulptur in Anhalt. Das künstlerisch bedeutendste Ausstattungsstück ist eine frühe Stuckdecke aus der Zeit um 1685 von Giovanni Simonetti. Wie Ryckwaert als Baumeister war auch Simonetti hier zum ersten Mal für das Fürstenhaus Anhalt-Zerbst tätig.
Zwischen 1726 und 1729 wurden die mittleren Zwerchhäuser des Corps de Logis abgetragen und durch ein Mansarddach ersetzt, das im Inneren das Mezzanin des erhöhten Saals aufnahm. Autor dieses Umbaus war Johann Christoph Schütze, der 1722 aus dem Dienst des Herzogs von Sachsen-Weißenfels in das Hofbaumeisteramt des Fürsten von Anhalt-Zerbst gewechselt war. Neben Ryckwaert und Simonetti ist Schütze der dritte der überregional bedeutsamen Künstler und Baumeister der Barockzeit, die am Coswiger Schlossbau tätig gewesen sind.

 

Text: Mario Titze
Redaktion: Sabine Meinel, Uwe Steinecke
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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