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Denkmal des Monats

Februar 2022: Burg Giebichenstein, Halle (Saale)

Der Blick von der anderen Saaleseite zeigt die verschneiten Relikte der Burg Giebichenstein, die der romantische Lyriker Joseph von Eichendorff 1841 treffend beschrieb: »Da steht eine Burg überm Thale Und schaut in den Strom hinein, Das ist die fröhliche Saale, Das ist der Gibichenstein«. Gemeint war damit die heute als Oberburg Giebichenstein bekannte Ruine, doch handelt es sich beim Giebichenstein korrekterweise um einen aus drei Bereichen gebildeten Gesamtkomplex, bestehend aus der »Alten Burg« auf dem Areal des Amtsgartens, der »Oberburg« auf der Porphyrkuppe sowie der sich unterhalb des Felsens befindenden »Unterburg«. Die Dreiteilung einer Burganlage ist nichts ungewöhnliches, der Giebichenstein weist jedoch eine Besonderheit auf, die ihn einzigartig macht. Alle drei Burgbereiche sind nacheinander und an verschiedenen Standorten errichtet worden und zeigen daher den jeweils zeittypischen Baubestand mittelalterlicher Wehr-, Wohn- und Repräsentationsvorstellung (Abbildung 1). Die etwa 500 Jahre währende Entwicklungsgeschichte und -typologie mittelalterlichen Burgenbaus ist am Beispiel der Burg Giebichenstein wie an keiner anderen im mitteldeutschen Raum ables- und nachvollziehbar.

Schon 961 trat Giebichenstein in einer Urkunde Ottos I. in das Licht der Geschichte. Diese und weitere frühe Nennungen bezogen sich auf die damals im Bereich des Amtsgartens lokalisierte erste Burg. Im Lauf der Zeit wurde der Giebichenstein von zahlreichen hohen geistlichen und weltlichen Würdenträgern aufgesucht, unter anderem 1064 von König Heinrich IV. Auch als Gefängnis für hochrangige Adlige diente der Giebichenstein, dessen wohl berühmtester Inhaftierter der Thüringer Graf Ludwig von der Schauenburg (1042 bis 1123), der Erbauer der Wartburg, gewesen sein soll. Dessen spektakuläre Flucht durch einen beherzten Sprung in die Saale verlieh ihm den markanten Beinamen. Die Sage von Ludwig dem Springer ist eng mit der Burg Giebichenstein verbunden und jedem Hallenser bekannt, ihr Wahrheitsgehalt indes zweifelhaft. Über die tatsächliche Bebauung der Alten Burg ist wenig bekannt, allein aus dem Bericht des Bischofs und berühmten Chronisten Thietmar von Merseburg (975 bis 1018) geht hervor, dass eine Kirche und eine Kemenate vorhanden waren.
Im 12. Jahrhundert – vor allem unter Erzbischof Wichmann von Magdeburg (Regierungszeit 1154 bis 1192), der mehrmals hier urkundete – erlebte die Burg eine Blütezeit, einhergehend mit einem umfassenden Ausbau, der sich diesmal auf dem Bergsporn vollzog. Die strategisch günstige Lage auf dem nach allen Seiten steil abfallenden Fels entsprach genau dem Konzept, dem die typische Adelsburg des 12. und 13. Jahrhunderts ihre Verteidigungsfähigkeit verdankte: der exponierten Lage. Die sichere Höhenlage erklärt vermutlich auch den Verzicht auf einen Bergfried, dem klassischen Element hochmittelalterlichen Burgenbaus. Stattdessen befanden sich auf dem begrenzten Plateau ein mächtiger Torbau, ein Wohnturm, eine Burgkirche, ein repräsentativer Palas und einige weitere Gebäude, gruppiert um einen schmalen engen Burghof. Im 14. Jahrhundert – seit 1382 Hauptresidenz der Magdeburger Erzbischöfe – wurde die Oberburg weiter ausgebaut. Aus dieser Zeit stammt auch der das heutige Erscheinungsbild und die Ansicht der Ruine so prägende, schlanke Torturm.

 

Einer angemessenen Hofhaltung gerecht werdend, begann man Mitte des 15. Jahrhunderts mit dem Bau der großräumigen Unterburg (Abbildung 2). Flach und gedrungen, mit rechteckigem Grundriss und geraden Mauerverläufen, Flankierungstürmen und mächtigem umlaufendem Graben spiegelt sie die bauliche Reaktion auf die durch die Anwendung von Feuerwaffen und Artillerie geprägte Kriegsführung des späten Mittelalters wider. Stark und wehrhaft, aber auch mit Wohn- und Repräsentationsaufgaben versehen, steht dieser Typ des sog. bastionierten Schlosses am Ende der Entwicklungslinie des Burgenbaus. Da die Erzbischöfe jedoch nur kurzzeitig hier residierten und bereits wenige Jahre später in die 1503 fertiggestellte Moritzburg am Rand der Stadt Halle zogen, ist die Unterburg Giebichenstein niemals ernsthaft militärisch bedroht gewesen und daher – trotz jüngerer Umnutzungen und Umbauten – in diesem unglaublich authentischen Zustand als baulicher Zeuge des Stands der Befestigungstechnik jener Zeit erhalten geblieben.


Text: Dirk Höhne
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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