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Fund des Monats

Jagdzauber in der Jungsteinzeit

Zwei besondere mittelneolithische Keramikfragmente aus Egeln-Nord

Egeln-Nord (Landkreis Aschersleben-Staßfurt), ein kleiner Ort etwa 25 Kilometer südlich von Magdeburg, liegt im Bereich der Egelner Bodeniederung, einer alten, durch zahlreiche Bodenfunde ausgewiesenen Kulturlandschaft. Erdbewegungen erbrachten hier schon manchen interessanten Befund beziehungsweise Fundgegenstand, etwa ein jungsteinzeitliches Grab der schnurkeramischen Kultur, das aber zudem Einflüsse der Glockenbecherkultur aufwies. Nicht weit von dieser Fundstelle, etwa 0,5 Kilometer östliches des Ortes, wird demnächst die Trasse der Umgehungsstraße Bundesstraße 81n führen. Seit dem Frühjahr 2002 finden hier im Vorfeld der Bauarbeiten an zwei Stellen archäologische Untersuchungen statt, die eine Fülle von hochinteressanten Ergebnissen erbrachte. Die hier vorgestellten Funde stammen von einer Fläche, die leicht erhöht am Rande des Niederungsgebietes liegt. Sämtliche bisher dort ergrabenen Befunde, darunter der vollständig erfasste Grundriss eines bandkeramischen Pfostenhauses (Abbildung 1), lassen auf eine intensive Siedlungstätigkeit insbesondere während des Neolithikums schließen. Mehrere Siedlungsgruben können anhand ihres Keramikinventars der Bernburger Kultur zuzuschreiben sein, darunter auch der Befund, der die Keramikfragmente mit Ritzzeichnung enthielt.

Die Darstellung der einen Scherbe zeigt eine menschliche Gestalt mit einem Gegenstand in der rechten Hand, der, wenn auch nicht vollständig erhalten, vermutlich als Bogen anzusprechen ist (Abbildung 2). Unterhalb des linken Arms sind vier Einstichpunkte angebracht, deren Sinn sich zunächst nicht erschließt. Oberhalb des Kopfes sind zwei Kreisaugenstempel der Gefäßverzierung erkennbar. Zu diesem bemerkenswerten Fund gibt es in Mitteldeutschland erst eine Parallele. Dabei handelt es sich um eine Scherbe mit eingeritzter Jagddarstellung aus Salzmünde (Abbildung 3). Das Fundstück aus einem Grab wird der gleichnamigen mittelneolithischen Kultur zugewiesen. Auf der Scherbe erkennt man einen Jäger mit Pfeil und Bogen hinter drei vierbeinigen Tieren. Im Gegensatz zur Egelner Darstellung zeigt das Salzmünder Exemplar die Gestalt mit erhobenem Bogen, so als wolle sie gerade den Pfeil abschießen.

Trotz dieses Unterschiedes nehmen wir an, dass das Motiv auf der Egelner Scherbe unter den Oberbegriff ›Jagddarstellung‹ einzuordnen ist. Dafür spricht auch die Ikonographie der zweiten Egelner Scherbe, die ein vierbeiniges Tier zeigt. Bis auf den Kopf ist die Gestalt nahezu vollständig erhalten. Im oberen Bereich der Scherbe erkennt man die Beine eines zweiten Tieres. Im unteren Bereich des Keramikfragments ist ein Kreisaugenstempel erkennbar. Die Tierdarstellung unseres Fundes entspricht der Darstellung auf dem Salzmünder Keramikfragment. Hier wie dort kann nicht entschieden werden, ob es sich um Hunde oder um das verfolgte Wild handelt. Obwohl beide Egelner Keramikfragmente nicht unmittelbar aneinander gefügt werden können, ist aufgrund der Farbe, Machart und Scherbendicke davon auszugehen, dass sie von ein und demselben Gefäß stammen und wahrscheinlich auch zur gleichen Darstellung gehören. Auffallend ist der Befundzusammenhang der Egelner Jagddarstellung. Wie oben erwähnt stammen die Scherben aus einer Siedlungsgrube, die während der Untersuchung keine Besonderheiten aufwies. Die Fundstücke waren vergesellschaftet mit Keramik, die als Verzierungselemente Linienbänder sowie mehrfache parallele Stichreihen tragen. Nach unserer Auffassung dürfte eine Zuordnung des Inventars zur Bernburger Kultur am wahrscheinlichsten sein, obwohl die mehrfach beobachtete Stempelverzierung mit Kreis auch an Salzmünder Einflüsse denken lassen.

Es besteht kein Zweifel, dass die vorgestellten Funde noch für manche Spekulation sorgen werden. Dies betrifft nicht nur die Bedeutung der Ritzzeichnung, die nach heutiger Auffassung in einem religiösen Zusammenhang (Jagdzauber?) gesehen wird. Auch der gänzlich andere Befundzusammenhang gegenüber der Salzmünder Jagddarstellung wirft mehr Fragen als Antworten auf. In jedem Fall wird deutlich, dass auch in einem neolithischen Siedlungskontext mit dieser äußerst seltenen Fundkategorie gerechnet werden muss. Möglicherweise wirft dieser Sachverhalt ein völlig anderes Licht im Hinblick auf die Beurteilung einer solchen Darstellung.


Text: Thomas Weber
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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