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Fund des Monats

März 2004: Ein spätneolithisches Grabinventar aus dem Nordharzgebiet

Das zeitliche Verhältnis der jungsteinzeitlichen Schnurkeramik-Kultur und Glockenbecher-Kultur sowie der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer-Kultur in Mitteldeutschland ist bisher im Sinne einer ineinander verzahnten Abfolge verstanden worden. Es ist dabei unstrittig, dass die entwickelte Aunjetitzer-Kultur die beiden spätneolithischen Kulturen abgelöst und dabei wohl auch Einflüsse der späten Glockenbecher-Kultur aufgenommen hat. Bestimmte keramische Formen wie zum Beispiel die Füßchenschale finden sich allerdings sowohl im Spätneolithikum als auch in der Frühbronzezeit, so dass sich die Frage stellt, ob diese Kulturerscheinungen zeitlich näher beieinander liegen als bisher angenommen wurde. Denkbar wäre zum Beispiel ein Weiterleben der Schnurkeramik-Kultur parallel zur Glockenbecher-Kultur bis an den Beginn der Frühbronzezeit.

Die noch nicht abgeschlossenen Ausgrabungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt auf der Trasse der zukünftigen Bundesstraße 6n nordöstlich von Quedlinburg eröffnen die Möglichkeit, solchen Fragestellungen ganz gezielt nachzugehen. Mit etwa 13 Hektar gehört die Fundstelle XII zu den größten bisher untersuchten Fundstellen dieses Projektes. In enger räumlicher Nähe wurden hier neben zahlreichen Siedlungsbefunden  auch Gräber unter anderem des Spätneolithikums und der Aunjetitzer-Kultur entdeckt. Damit ergibt sich zum einen die Möglichkeit, Siedlungen zusammen mit den dazugehörenden Gräberfeldern zu erfassen, zum anderen vielleicht auch auf kleinem Raum die Beziehungen der beiden spätneolithischen Kulturen zur frühbronzezeitlichen Aunjetitzer-Kultur zu beleuchten.

Das Gräberfeld

Die glockenbecherzeitliche Bestattung, die hier im Mittelpunkt stehen soll, wurde im Spätsommer 2003 nordöstlich von Quedlinburg am Hangfuß südöstlich des Flüsschens Bode entdeckt. Sie gehört sehr wahrscheinlich zu einem kleinen Gräberfeld, denn nur knapp acht Meter westlich dieses Befundes kam eine weitere, ebenfalls Südost-Nordwest angelegte Grabgrube zum Vorschein, die zwei übereinander liegende Skelette enthielt (Abbildung 1). Der archäologische Befund scheint dafür zu sprechen, dass die Bestattung der beiden anthropologisch als weiblich bestimmten Personen entweder gleichzeitig erfolgte oder das Obergrab wenig später, aber ganz bewusst direkt über dem Untergrab angelegt worden ist. Eine kleine zylindrische Tasse mit Bandhenkel, die zu Füßen des Untergrabes gefunden wurde, lässt sich einstweilen noch nicht datieren. Die sogenannten Etagengräber treten sowohl während der Glockenbecher-Kultur als auch in der Frühbronzezeit auf. Unweit der Hockergräber liegt eine mangels Beigaben nicht datierbare Grube, die verbrannte menschliche Knochen enthielt. Ein unscheinbarer Befund wenige Meter südwestlich davon enthielt zwar keine Skelettreste, erbrachte aber eine fast komplette kleine Aunjetitzer Tasse (Abbildung 2). Der östlich angrenzende Bereich der Gräbergruppe konnte bisher nicht untersucht werden.

Das glockenbecherzeitliche Grab

Die annähernd rechteckige, etwa 0,5 Meter tief in den anstehenden Lösslehm eingegrabene Grabgrube hatte Abmessungen von 1,45 Meter mal 0,80 Meter. Die Grube enthielt einen rechtsseitigen Hocker mit dem Kopf im Südosten, Blick nach Nordnordwest (Abbildung 3). Die Oberschenkel waren angezogen, die Unterschenkel lagen relativ eng an den Oberschenkeln. Der linke Arm befand sich schwach angewinkelt über der linken Bauchseite, während der rechte Arm stark angezogen vor dem Oberkörper lag, sodass der Kopf ursprünglich wohl auf der rechten Hand ruhte (Abbildung 4). Einzelne Knochen sind offenbar durch Bodenwühler verlagert worden, ansonsten ist das Grab ungestört.

Die anthropologische Untersuchung durch K. Schwerdtfeger ergab, dass es sich um das Skelett eines grazilen, circa 20-jährigen Mannes mit femininen Zügen handelt.

Die Grabausstattung

Das Grab ist mit zwei Gefäßen und Bernsteinschmuck verhältnismäßig reich ausgestattet.

Neben der rechten Schulter lag ein leicht zerdrückter hochhalsiger Becher, der in zwei Zonen durch umlaufende, etwas nachlässig eingeritzte Rillen verziert wurde (Abbildung 5). Ganz offenbar waren dem Töpfer dieses Gefäßes schnurkeramische Vorbilder bekannt oder er selbst war ein Schnurkeramiker.

Vor dem Bauch stand eine reich in Glockenbechermanier verzierte Vier-Füßchenschale (Abbildung 6). Das sehr qualitätvolle Gefäß zeigt eine in drei Zonen gegliederte Verzierung. Die Hauptverzierungszone zeigt verschiedenartig gefüllte rechteckige Felder, die durch Leerfelder und vertikale Leiterbänder voneinander getrennt sind. Als Motive kommen Kreuzschraffur, Fischgrätmuster sowie liegende mit horizontalen Ritzlinien verzierte Sanduhrmotive vor. Die tief eingeritzten Ornamente waren ursprünglich mit einer hellen Paste ausgelegt gewesen, die sich in Resten erhalten hat. Der Rand des kalottenförmigen Gefäßes ist markant nach innen abgestrichen und durch ein umlaufendes Leiterband verziert.

Im Oberkörper-/Halsbereich des Skelettes konnten Reste mehrerer sehr kleiner, scheibenförmiger Bernsteinperlen geborgen werden, die wohl als Halsschmuck oder Trachtbesatz dienten (Abbildung 7).

Bedeutung

Eine Gleichzeitigkeit der Spätphase der jungsteinzeitlichen Glockenbecher-Kultur mit der frühen Bronzezeit (Aunjetitzer Kultur) lässt sich nicht nur in Mitteldeutschland beweisen, sie ist auch im Milieu der frühbronzezeitlichen Gruppen Süddeutschlands zu erkennen. Inwieweit aber die jungsteinzeitlichen Schnurkeramiker noch Kontakte zu diesen frühbronzezeitlichen Gruppen hatten, ist dagegen umstritten. Die Bestattung von Quedlinburg ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil hier zum ersten Mal innerhalb eines Grabinventares typische Gefäße sowohl der Schnurkeramik-Kultur als auch der späten Glockenbecher-Kultur vereint vorkommen und eine partielle Gleichzeitigkeit der beiden spätneolithischen Kulturen im Nordharzgebiet dadurch untermauert wird. Wenn nun einerseits späte Schnurkeramik und späte Glockenbecher-Kultur synchron sind und andererseits die späte Glockenbecherkultur gleichzeitig mit der frühesten Bronzezeit ist, dann stellt sich unweigerlich die Frage, ob sich (auch) im Nordharz-Gebiet die Spätphase der Schnurkeramik-Kultur mit der Frühphase der Aunjetitzer-Kultur überlappt. Man darf also auf die C-14 Daten (Radiokarbon-Datierung) dieses Grabes gespannt sein!


Text: Erik Peters
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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