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Fund des Monats

Oktober 2004: Der Geschmiedete Himmel

Die Wiederbelebung einer Goldschmiedetechnik der Bronzezeit

Die Himmelsscheibe von Nebra ist nicht nur ein beeindruckendes Zeugnis für die Beschäftigung des bronzezeitlichen Menschen mit astronomisch-religiösen Fragestellungen, sondern gibt daneben mit ihren Tauschierarbeiten auch eine bisher einzigartige Kostprobe bronzezeitlicher Goldschmiedekunst. Der Reiz der Tauschierung geht vom farblichen Unterschied zwischen Einlege- und Grundmaterial aus. Goldblech ist in Bronze eingelegt. Bei der Himmelsscheibe handelt es sich nicht um eine Tauschierung im eigentlichen Sinne, sondern um eine Tauschierplattierung.
Ausgangspunkt für unsere goldschmiedetechnische Arbeit waren Vermutungen über das Verfahren zur Herstellung der Werkzeuge, des Goldblechs sowie über die eigentliche Tauschiertechnik. Alle drei Schritte sollen neben der Herstellung des Scheibenrohlings im Folgenden beschrieben werden. Nicht verständliche Fachbegriffe werden am Ende des Textes erklärt.

Von der Herstellung der Werkzeuge

Dem bronzezeitlichen Werkzeugmacher ist angesichts der Präzision und der Formvollendung noch erhaltener Werkzeuge und der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Bewunderung zu zollen. Für die Tauschierung müssen zunächst Tauschierkanäle angelegt werden. Hierfür benötigt man einen Satz verschiedener Meißelformen. Nach Vorbild originaler bronzezeitlicher Meißel werden Holzmodelle angefertigt (Abbildung 1). Die Hölzer werden in einer zweiteiligen Form aus gemagertem Ton abgeformt. Nachdem ein kegelförmiger Einguss sowie zulaufende Eingusskanäle für die flüssige Bronze angebracht wurden, ist die Form bereit für den entscheidenden Guss (Abbildung 2). Die für die Werkzeuge verwendete Legierung setzt sich aus 16 Prozent Zinn und 84 Prozent Kupfer zusammen. Der im Vergleich zu normaler Bronze (8 bis 10 Prozent Zinn) ungewöhnlich hohe Zinnanteil soll die Meißel härter machen. Die hellgelbe, auf 1200 Grad Celsius erhitzte flüssige Bronze erstarrt nach dem Eingießen. Noch während die Formen heiß sind, können die Gussrohlinge aus ihrer Tonummantelung herausgeschlagen werden (Abbildung 3). Die anschließende Versäuberung ist eine unspektakuläre, aber sehr mühevolle Arbeit (Abbildung 4). Mit Hilfe von Hammer und Amboss wird die Spitze des Werkzeugs ausgeschmiedet. Durch das Schmieden wird die extrem spröde Gussbronze in einen zäh-harten Zustand überführt und zugleich die endgültige Form der Meißel festgelegt. Die ebenfalls für die Tauschierung benötigten Punzen werden in ähnlicher Weise hergestellt (Abbildung 5).

Vom Fertigen des Scheibenrohlings

Die Scheibenbronze ist weicher als die Werkzeugbronze und hat einen Zinngehalt von 2,5 Prozent. Die Form wird mit einem Durchmesser von 15 Zentimeter und einer Tiefe von einem Zentimeter in Bimsstein geschnitten. Das maximale Fassungsvermögen unseres Schmelztiegels ist mit einem Kilogramm Material erreicht, was in etwa der halben Menge der für die Originalscheibe erforderlichen Bronze entspricht. Beim Gießen in die ›Offene Form‹ bildet sich nach dem Erstarren des Metalls eine Gusshaut an der Oberfläche, die wir nach dem Erkalten des Rohlings im Unterschied zum bronzezeitlichen Goldschmied zeitsparend mit einer ›Flex‹ abtragen.
Um das Werkstück auf die gewünschten Maße zu dehnen und zu strecken, wird es mit einem schweren Hammer geschmiedet. Das Schmieden erfolgt im Unterschied zu Eisen im kalten Zustand. Der Bronzefladen wird nach dem Schmieden geglüht, auf diese Weise wird das Metallgefüge, das durch das Schmieden verhärtet, erneut verformbar gemacht (Abbildung 6). Diese Prozedur wird einige Male wiederholt und endet, wenn die gewünschte Materialstärke von vier Millimeter beziehungsweise einem Millimeter am Rand erreicht ist, mit einem abschließenden Glühen. Die von den Hammerschlägen hervorgerufenen Abdrücke und andere Fehlstellen in der Oberfläche der Scheibe müssen weggeschliffen werden, was in der Bronzezeit mit Quarzitsteinen sehr zeitraubend gewesen sein dürfte. Ist die Oberfläche hinreichend geglättet, kann sie abschließend poliert werden.

Wie das Goldblech gemacht wird

Das für die Einlegearbeit verwendete Goldblech ist eine Legierung von 80 Prozent Gold und 20 Prozent Silber. Dies ist annähernd die analytisch ermittelte Zusammensetzung des Goldblechs des Originals. In einem Tontiegel schmelzen wir zuerst das Gold und geben anschließend den Silberanteil hinzu. Die flüssige Schmelze erstarrt zu einem Nugget. Er wird auf dem Amboss zu einem Goldblech von 0,3 Millimeter Stärke ausgeschmiedet. Auch hier ist das Glühen ein wichtiger Zwischenschritt. Das Goldblech wird zum Glätten zwischen zwei Zinnplatten gelegt, um die Oberfläche  nicht zu beschädigen. Für das Ausschneiden der Formen aus dem Blech verwendeten wir eine Blechschere; für das Original dürften auch hier Meißel zur Anwendung gekommen sein.

Die Tauschiertechnik der Himmelsscheibe von Nebra

Wir können uns bei diesem handwerklichen Feldversuch nicht auf Erfahrungswerte anderer stützen, denn die Besonderheiten der für die Himmelscheibe verwendeten Tauschiertechnik finden wir nirgendwo beschrieben. Für die Beschreibung wählen wir einen Motivausschnitt aus der Himmelsscheibe von Nebra, auf dem die Plejaden und ein Anschnitt vom Halbmond zu sehen sind. Das gesamte Werkstück wird aufgekittet. Auf diese Weise ist es für die Tauschierversuche fixiert. Das Motiv wird auf die Bronze übertragen. Die sorgsam vorbereiteten Werkzeuge werden einer ersten Bestandsprobe unterzogen. Ein kreisrunder Stern soll tauschiert werden. Die benötigten Meißel werden angeschliffen. Mit einem scharfen Meißelpunzen schrotet man die Kontur. Mit dem zwischen Daumen und zwei Fingern gehalten Meißel wird nun die Tauschierrille entlang der vorgeschroteten Linie eingearbeitet (Abbildung 7). Durch die Kraft des Hammerschlags stellt der Meißel die verdrängte Bronze zu einem Grat auf. Das heißt, der Meißel wird in diesem Fall nicht spanabhebend sondern verformend eingesetzt. Das verdrängte Material wölbt sich an der Kante auf. Verschieden angeschliffene Meißel werden verwendet. Auffallend ist die schnelle Abnutzung der Bronzewerkzeuge. Immer wieder müssen die Meißel angeschliffen werden (Abbildung 8). Entlang der Rille bildet sich ein gleichmäßig fortlaufender Schnitt. Wichtig ist, dass diese Abfassung ebenmäßig bleibt. Durch die Schlagfolge dürfen sich keine Unebenheiten oder Absätze ergeben. In dem klassischen Lehrbuch »Theorie und Praxis des Goldschmieds« schreibt E. Brephol dazu: »Um die Haltbarkeit der Einlage zu gewährleisten, muss sich die Grube nach unten verbreitern, also einen trapezförmigen Querschnitt haben. Der aufgeworfene Grat genügt nicht die Einlage zu halten. Mit einem spitz angeschliffenen Meißel fährt man an den senkrechten Wänden entlang, um hier das Material einzudrücken.« (Brepohl, 2003, 362). Dies stimmt für die reine Tauschiertechnik. Die Einzigartigkeit der Himmelsscheibe wird aber auch in der technischen Ausführung der Tauschierung deutlich. Es handelt sich nicht um eine herkömmliche Tauschierung, wie sie im obigen Zitat beschrieben wird, sondern um eine Tauschierplattierung (Abbildung 9). Nicht das gesamte Material wird in eine Grube eingelegt, sondern nur die Ränder werden in eine unterschnittige Rille eingeklemmt. Der Großteil des Goldbleches liegt wie bei einer Plattierung auf.

Das einzulegende Blech hat die Größe der unterschnittigen Form (Abbildung 10). Das Blech wird leicht erhaben gewölbt, eingesetzt und durch einige Hammerschläge vorläufig fixiert (Abbildung 11). Mit einem Flachpunzen wird dann der zuvor aufgeworfene Grat über die Einlage gedrückt (Abbildung 12). Da ein Einhämmern des Einlegematerials, für die Tauschierung im eigentlichen Sinn charakteristisch, wegen der nicht komplett ausgehobenen Grube nicht möglich ist, wird die Goldblecheinlage ausschließlich durch das Andrücken des Grates entlang der Rille fixiert.
Der wesentliche Unterschied besteht somit in der Bearbeitung des Materials: Bei der klassischen Tauschierung wird das einzulegende Metall eingetrieben, bei der Himmelsscheibe wird vorwiegend das Grundmetall mechanisch bearbeitet. Im Gegensatz zur klassischen Tauschierung braucht das einzulegende Metall dabei nicht unbedingt weicher sein als das Grundmetall.

Abschließend wird der das Goldblech einfassende Rand mit einem polierten Flachpunzen geglättet (Abbildung 13).  Die Tauschierung lebt von dem starken Farbkontrast der unterschiedlichen Metalle. Die blanke Bronze ergibt jedoch nur einen ungenügenden Kontrast, und wird deshalb abschließend dunkel patiniert. Dazu wird die komplette Arbeit auf etwa 400 Grad Celsius erhitzt, die Oberfläche überzieht sich dabei mit einer bräunlichschwarzen Oxidschicht, die man mit einem Polierstein zu einem ansprechenden Glanz bringen kann. Die goldenen Sterne leuchten daraus hell hervor (Abbildung 14, 15).

 

 

Text: Karoline Finke, Cora Bozan
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

Literatur

E. Brephol, Theorie und Praxis des Goldschmieds, (München/ Wien 2003).

Glossar

Tauschierung:             In eine Grundplatte werden Vertiefungen eingelassen, die so geformt
sind, dass ein weiches Metall eingehämmert werden kann.

 

Tauschierplattierung:  Im Gegensatz zur einfachen Tauschierung wird das Einlegematerial
nicht eingehämmert, sondern eine Fixierung der Einlage wird ausschließlich dadurch erreicht, dass diese in einer Rille des Grundmaterials eingeklemmt wird.

 

Meißel:                       Werkzeug, mit dem unter der Kraft des Hammers Späne vom
Werkstück abgehoben werden.

 

Gemagerter Ton:        Mineralische Beimengungen zum Ton, in unserem Fall wurde Sand
                                   beigefügt.

 

Gussrohlinge:              Nach dem Gießen sind noch Angüsse, Formnähte sowie Gussfehler vorhanden, die vor der weiteren Verarbeitung mit spanenden Werkzeugen entfernt werden.

 

›Offene Form‹:           Das Metall wird nicht in eine zweiteilige, geschlossene Form gegossen,
sondern - vergleichbar dem Eingießen einer Flüssigkeit in ein Gefäß - in eine an einer Seite offen gelassene Form gegossen.

 

Schmelztiegel:            Es gibt Graphit- und Keramiktiegel, die zum Schmelzen von Metall verwendet werden.

 

Aufkitten:                   Vorübergehende Befestigung von Werkstücken auf Kittkugeln/Kittstöcken.

 

Schroten:                    Umformende Hammertechnik (Punzen mit gerundeten Kanten).

     

Plattierung:                 Mechanische Befestigung eines Metallsbleches auf einem Grundmetall (keine Einlage).

 

Punzen:                       Werkzeug, mit dem unter Hammerschlag das Metall umgeformt, jedoch nicht abgehoben wird.

 

Flachpunzen:              Planierpunzen (umformende Hammertechnik).

 

Grubentauschierung:  Siehe Tauschierung (Draht oder Blech als Einlage in härterem Metall).

 

Spanabhebend:           Ein scharfkantiges Werkzeug wird verwendet, um einen Span vom Werkstück abzuheben.

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