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Fund des Monats

September 2007: Kachelmodeln fielen Tilly zum Opfer

Ende letzten Jahres wurde bei Grabungen in der südlichen Altstadt Magdeburgs ein bedeutender Fundkomplex an Modeln zur Ofenkachelherstellung gefunden (Abbildung 1). Die zugehörige Töpferwerkstatt wurde bei der großen Zerstörung Magdeburgs im Mai 1631 zerstört.

Von November 2006 bis August 2007 fand im Hinterhofbereich zwischen Regierungsstraße, Breitem Weg und Bärstraße eine großflächige Grabung statt, verursacht durch den geplanten Bau eines Parkhauses (Abbildung 2). Diese großräumigen und tiefen Bodeneingriffe versprachen viele neue Einblicke in die Stadtgeschichte Magdeburgs unweit des Klosters Unser Lieben Frauen.
Der bedeutendste Fundkomplex der Grabung beinhaltet über 600 Fragmente von Keramikmodeln zur Herstellung von Ofenkacheln aus der Zeit des frühen 17. Jahrhunderts. Die meisten Stücke stammen aus einer circa 4,60 Meter mal  4 Meter großen, mit Bauschutt verfüllten Grube und waren zusammen mit circa 3000 Kachelfragmenten, Keramikgeschirr und Tonmurmeln entsorgt worden. Die Model wurden zur Herstellung von hochwertigen Ofenkacheln, sogenannten »Relief-Blattkacheln« und anderer Ofenzier benutzt (Abbildung 3).

An diesem Platz muss demnach eine Töpferwerkstatt existiert haben. Neben der Herstellung der Kacheln wurde auch Keramikgeschirr, sogenannte »Malhornware« produziert, die sich durch eine meist polychrome Bemalung der Oberfläche mit Hilfe eines »Malhorns« und auch Pinsels auszeichnet (Abbildung 4).
Die Reste der eigentlichen Werkstatt wurden leider nicht entdeckt, denn diese wurde wahrscheinlich bei der großflächigen Zerstörung Magdeburgs im 30-jährigen Krieg im Mai 1631 zerstört und die Reste des Gebäudes nebst Teilen des Inventars in die gefundene Grube entsorgt. Viele der geborgenen Objekte zeigen Spuren starker Brandeinwirkung, die Model und Kacheln selbst jedoch nur wenig.
In der näheren Umgebung befanden sich noch weitere Gruben und Schuttlinsen, die ebenfalls Model- und Kachelfragmente enthielten. Die Gruben lagen auf einer Parzellengrenze; Das Häuserbuch der Stadt Magdeburg nennt allerdings für das erste Drittel des 17. Jahrhunderts hier keinen Töpfer.
So könnte es sein, dass nach der starken Kriegszerstörung dieses Areals die wüst gefallenen Grundstücke (so nennt es das Häuserbuch Magdeburgs) für die Entsorgung der Gebäudereste aus der Umgebung nebst zerstörtem Inventar genutzt wurden.

Die Model bestehen aus heller Keramik und wurden zur Abformung benutzt. Hierfür walzte man aus Ton eine flache Platte und drückte diese gut auf dem Model fest. Nach kurzer Antrocknung ließ sich die Tonplatte vom Model lösen, da das Model Feuchtigkeit von der Platte aufnahm (daher waren die Model aus gebranntem, aber unglasiertem Ton). Die Platten wurden aufgearbeitet und dann gebrannt. In einem weiteren Arbeitsschritt wurde dann die Glasur aufgetragen und das Stück nochmals gebrannt.
Die Endprodukte – die Ofenkacheln -, die ebenfalls aus hellem Ton bestanden, wurden in dieser Zeit meistens mit einer schwarz-braunen Glasur überzogen, unter anderem um Eisenöfen nachzuahmen, welche in der Zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Mode kamen (Abbildung 3). Sie gehörten meistens zu einem sogenannten »Kombinationsofen«, dessen Unterteil aus reich verzierten Eisenplatten, der obere Teil aus schwarz-braunen Keramikkacheln bestand. Es gab aber auch weiterhin noch reine Kachelöfen (Abbildung 5). Der überwiegende Teil der Formen stammt aus einem relativ engen Zeitraum, circa aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts und ist im Stil des sogenannten »Manierismus« ausgestaltet.

Die Motive sind weit gefächert: Es werden unter anderem Herrscher dargestellt, auch die Evangelisten, Allegorien und Bibelszenen (Abbildungen 6 bis 8). Als Motiv-Vorlagen dienten unter anderem zeitgenössische Kupferstiche.
Das bisher älteste Stück stammt aus dem 16. Jahrhundert und stellt eventuell Kaiser Karl V. (1500 bis 1558) oder dessen Bruder König (später Kaiser) Ferdinand I. (1503 bis 1564) dar (Abbildungen 9 bis 11).
Zwei Kachelmotive konnten auch zeitgenössischen Fürsten zugewiesen werden: Zum einen Friedrich V von der Pfalz, der »Winterkönig« von Böhmen (1596 bis 1632) (Abbildungen 12 und 13) und Lothar von Metternich, Erzbischof von Trier (1551 bis 1623) (Abbildung 14). Interessanterweise gehört der eine der protestantischen, der andere der katholischen Seite an.
Anscheinend bediente der Töpfer im protestantischen Magdeburg beide Parteien, die sich hier unversöhnlich gegenüberstanden, noch kurz vor der, aus Sicht der Zeitgenossen, größten Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges, der fast vollständigen Zerstörung der Stadt im Zuge der siegreichen Belagerung durch den kaiserlichen (katholischen) Feldherrn Tilly.


Text: Andrea Ditmar-Trauth, Thomas Weber
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

 

Literatur

Ernst Neubauer, Häuserbuch der Stadt Magdeburg, Teil 1: 1631-1720 (Magdeburg 1931).

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