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Fund des Monats

April 2009: Ein Seehund in der kaiserzeitlichen Siedlung von Ziepel?

2008 wurde nördlich von Ziepel im Landkreis Jerichower Land ein Windpark errichtet. Da zwei der Windräder auf der Fläche eines bekannten archäologischen Kulturdenkmales angelegt werden sollten, fanden vorab archäologische Untersuchungen statt.
Der Fundort liegt auf einer weiten, leicht ansteigenden, flachwelligen Ebene des westlichen Flämings im eiszeitlichen Urstromtal der Elbe. Von hier bietet sich heute ein Ausblick bis zu den markanten Türmen des Magdeburger Domes.
Archäologen hätten den Standort der einen Windkraftanlage nicht besser aussuchen können: Auf der kleinen Grabungsfläche von 1400 Quadratmeter wurde ein Ausschnitt einer Siedlung der römischen Kaiserzeit aufgedeckt, der alle wichtigen Bereiche des alltäglichen Lebens zeigt (Abbildung 1).

Im südöstlichen Areal fanden sich die Pfostenlöcher eines zweischiffigen Langhauses. Das Haus war mindestens 12,6 Meter lang und 3,3 Meter breit. Es handelte sich um ein ebenerdiges Wohnstallhaus mit zentraler Feuerstelle. Diese typischen Wohnstallhäuser beherbergten Menschen, Vieh und einen Teil der Wintervorräte unter einem Dach. Eine erste Bestimmung der Tierknochen zeigt, dass fast die Hälfte der in der Siedlung gefundenen Knochen von Rindern stammt, gefolgt vom Schwein und Schaf/Ziege. Die im Zentrum des Hauses liegende Feuerstelle war in den Boden eingetieft und mit Steinen ausgekleidet.

Nördlich angrenzend fanden sich eine ringförmige Pfostenstellung sowie ein Sechspfostenbau. Beide Strukturen werden als Speicherbauten gedeutet. Die üblicherweise zu einem germanischen Gehöft gehörenden Grubenhäuser wurden innerhalb des kleinen Grabungsareals nicht angetroffen. Nördlich und westlich des Langhauses wurde je ein Brunnen aufgedeckt. Holzreste auf der Sohle beider Brunnen weisen darauf hin, dass in Ziepel die Brunnenschächte mit Flechtwerk ausgekleidet waren, um die Grubenwände zu stabilisieren und das Wasser zu filtern. Als die Brunnen unbrauchbar geworden waren, sind sie mit Abfall verfüllt worden; im nördlichen Brunnenschacht fanden sich große Keramikscherben von Vorratsgefäßen und Reste des Lehmbewurfes der Hauswände (Abbildung 4). Grubenöfen sind in kaiserzeitlichen Siedlungen häufig anzutreffen, so auch in Ziepel. Die circa ein Meter tiefe, runde Ofengrube war mit Lehm ausgekleidet, den die Hitze des Brennvorganges rot verziegelt hatte. In der Verfüllung fanden sich Lehmbruchstücke, die von der eingestürzten Ofenkuppel stammen dürften. Solche Grubenöfen sind vielseitig, sie ermöglichen das Trocknen und Backen von Lebensmitteln oder das Brennen von Keramik. In Ziepel wurde die örtliche Keramikherstellung durch Fehlbrände nachgewiesen.

Eine Besonderheit des Grubenofens ist, dass er in der verfüllten Grube eines Brunnens errichtet war. Ob dies einen technischen Grund hatte oder ob die damaligen Bewohner die Mühe scheuten, eine weitere Grube in den schweren Geschiebemergel zu graben, bleibt derzeit noch offen.
Weit verbreitet war die Herstellung von Branntkalk. Der örtlich anstehende Wiesenkalk wurde in ovalen, mit Stein ausgekleideten Gruben unter einer Lehmabdeckung gebrannt. Ein solcher Ofen fand sich auf der Stellfläche des Windrades. Der gebrannte Kalk diente unter anderem als Anstrich der Hauswände. Außerdem benötigten zum Beispiel Gerber Kalk zur Enthaarung von Tierhäuten. Ein besonderes Produkt germanischer Herstellung, das in das Römische Reich exportiert wurde, stellte Seife dar. Neben Kali oder Natron und Fett gehörte Kalk in die Seifensiederlauge. Nach dem römischen Schriftsteller Plinius dem Älteren ergab germanische Seife einen angenehmen Schaum. Wie bei allen Siedlungsgrabungen besteht das Fundmaterial von Ziepel hauptsächlich aus Keramikscherben und Tierknochen. Trachtbestandteile, Schmuck oder Werkzeuge finden sich selten in planmäßig aufgegebenen Siedlungen. Aus Ziepel stammen ein Ring und ein Nadelfragment aus Bronze, ein kleiner Möbelbeschlag mit Goldauflage sowie Gewandnadeln aus Bein und Bruchstücke von steinernen Handmühlen.

Wie bei allen Siedlungsgrabungen besteht das Fundmaterial von Ziepel hauptsächlich aus Keramikscherben und Tierknochen. Trachtbestandteile, Schmuck oder Werkzeuge finden sich selten in planmäßig aufgegebenen Siedlungen. Aus Ziepel stammen ein Ring und ein Nadelfragment aus Bronze, ein kleiner Möbelbeschlag mit Goldauflage sowie Gewandnadeln aus Bein und Bruchstücke von steinernen Handmühlen.
Keramische Tierfiguren sind manchmal im germanischen Fundmaterial vorhanden, zum Beispiel in Form von Kinderrasseln. Häufig handelt es sich dabei um Vogeldarstellungen. Stöpselartige Tierdarstellungen finden sich vereinzelt in germanischen Siedlungen, meist handelt es sich ebenfalls um Vögel. In Ziepel fand sich in einem der Brunnen eine circa vier Zentimeter hohe, stöpselartige Plastik aus Keramik, die ebenfalls einen Vogel darstellen könnte. Interessanterweise ist jedoch die erste Assoziation aller Betrachter: ein Seehund (Abbildungen 2 und 3).
Die Darstellung eines Seehundes wäre einzigartig. Aus zeitgleichen Siedlungen an Nord- und Ostsee kennen wir Seehundknochen; es handelt sich dabei um Jagdabfälle. Landeinwärts fehlen allerdings bisher Knochen oder Darstellungen.
Verirrte Seehunde tauchen jedoch immer wieder in den großen Flüssen auf; so erfreute Seehund Trixi in den 1970er Jahren die Magdeburger Bevölkerung. Die Elbe ist heute circa 14 Kilometer von Ziepel entfernt.

Bitte beachten Sie!
Entgegen der sonst üblichen Praxis handelt es sich beim diesjährigen April-Fumo nicht um einen Aprilscherz!


Text: Astrid Deffner
Online-Redaktion: Norma Literski, Anja Lochner-Rechta

 

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