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Fund des Monats

März 2011: Becher, Münze, Trinkpokale

Kaiserzeitliche Bestattungen mit außergewöhnlichen Beigaben im östlichen Sachsen-Anhalt

Genau vor einem Jahr, im März 2010, fand auf einer Sanddüne im Landkreis Wittenberg eine zweiwöchige Rettungsgrabung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt statt (Abbildungen 1 und 2). Obwohl das Gelände aufgrund seines archäologischen Fundniederschlags seit 1976 unter denkmalrechtlichem Schutz steht, war die Rettungsgrabung durch den jahrzehntelangen und immer noch stattfindenden illegalen Sandabbau mehr als notwendig geworden. Aufgrund der Auskofferung im mittleren Bereich und der daraus folgenden Erosion rutschten immer wieder Sandlagen von der Kuppe ab. Permanent von der Hügelkante ausbrechende Urnengräber und Scherbenreste gefährdeten den Fundplatz stark. Als konkreter Hintergrund für die Rettungsgrabung diente vor allem der Fund des ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegers Wolfgang Donath: Bei einer Ortsbegehung stieß er auf zwei verzierte Gewandspangen aus Silber mit langem Nadelhalter, welche in die späte Römische Kaiserzeit (3. bis 4. Jahrhundert nach Christus) datieren (Abbildung 3).

Die Grabung begann mit der Anlage eines Rasters von fünf Teilbereichen jeweils fünf mal fünf Meter rund um die gefährdeten Bereiche am Rande der Sandgrube. Die Zusammensetzung des Fundmaterials war insgesamt recht inhomogen: vermischte Keramikscherben der Bronze- und der Kaiserzeit (hier auch Drehscheibenware), dazu Bronze- und Eisenfunde, Leichenbrand, unverbrannte Tierknochenreste und geschmolzene Glasfragmente. Dieses Befundbild ist auf einstige Waldarbeiten zurückzuführen, welche einen Großteil der ursprünglichen Befunde im oberen Bereich zerstört hatten. Hierfür spricht neben dem Erscheinungsbild der oft diffusen, undeutlichen Verfärbungen auch die ungleiche Verteilung und Qualität des geborgenen Fundmaterials.

Insgesamt gab die Sanddüne – eine der letzten, wenigen Dünen aus der Eiszeit in dieser Gegend – im Zuge der Grabung auf einer Fläche von rund 125 Quadratmeter insgesamt 29 Befunde preis, wobei neben Lausitzer Urnengräbern der späten Bronzezeit (1.200 bis 800 vor Christus) vor allem einige beachtenswerte Funde der späten Römischen Kaiserzeit (150 bis 375 nach Christus) zutage traten. Drei besonders herausragende Beispiele sollen hier vorgestellt werden.

Die kaiserzeitlichen Urnengräber

Einen Höhepunkt der Grabungsarbeiten stellte die Entdeckung von zwei ungestörten Urnengräbern mit jeweils drei kompletten Gefäßen dar. Eines der Urnengräber kann ersten Vermutungen zufolge möglicherweise als die Bestattung einer hochrangigen Person angesprochen werden, Gewissheit wird hier jedoch erst die eingehendere wissenschaftliche Untersuchung bringen.
Im Grabungsareal A2 zeichnete sich im Planum 1B sehr deutlich eine kreisrunde, fast schwarze Verfärbung ab. Beim Anlegen des Profilschnittes stellte sich heraus, dass es sich um ein Urnengrab mit einer Urne und zwei Beigefäßen handelte (Abbildung 4), wovon eines aufgrund seiner Lage wahrscheinlich als Deckschale Verwendung gefunden hat. In der Grubenfüllung und in den Beigefäßen dieses Befundes 17 fanden sich Reste eines verzierten Knochenkammes (Abbildung 5) und einige Metallreste, zum Beispiel in Form kleiner Ringe aus Eisen (Abbildung 6). Der Erhaltungszustand war relativ gut, allerdings wiesen die Gefäße feine Haarrisse auf. Zur Sicherung der Gefäße erfolgte eine Bergung im Gipsblock.

Eine weitere, unregelmäßige fleckige Verfärbung differenzierte sich nach Abtiefen des Planums in ein Urnengrab der späten römischen Kaiserzeit (Befund 14) und ein Brandschüttungsgrab gleicher Zeitstellung (Befund 24). Letzteres war in Teilbereichen durch Forstarbeiten gestört. Neben Leichenbrand und Keramikresten konnte sehr kleinteilige Drehscheibenware, eine römische Münze mit einer kleinen Durchbohrung und Metallreste geborgen werden. Die Münze war sehr gut erhalten und trägt die Aufschrift »IMP C PROBUS PF AVG« und »FIDES MILITVM« (Abbildungen 7 und 8). Recherchen ergaben, dass der römische Kaiser Marcus Aurelius Probus (Regierungszeit 276 bis 282 nach Christus) darauf abgebildet ist. Die Durchbohrung der Münze lässt vermuten, dass sie als Schmuckanhänger Verwendung gefunden hat.

Der Befund 14 zeichnete sich als kreisrunde Grube mit schwarzem Verfüllsediment sehr deutlich ab. Nach dem Abtiefen des Planums wurde deutlich, dass es sich um ein Urnengrab mit mehreren Gefäßen handelte; es setzte sich aus einer großer Graburne, einem schlichten Beigefäß sowie einem zerdrückten Standfußbodengefäß mit unterschiedlichen plastischen Verzierungen zusammen (Abbildung 9). Im Inneren der Urne fanden sich Metallfragmente (zum Beispiel Reste eines metallbeschlagenen Holzeimers), ein eisernes Messer, ein Spinnwirtel, ein Schmuckstück mit zwei Eimeranhängern und zwei kleine Trinkpokale aus Keramik (Abbildung 10).

Das Grab einer Frau?

Die meisten Metallfragmente aus der Graburne des Befundes 14 sowie die umgeschlagenen Nägel lassen sich einem metallbeschlagenen Holzeimer zuordnen, der mit halbmondförmigen Anhängern verziert war (Abbildungen 11 und 12). Weitere Metallbänder können nicht zum Eimer gehört haben; vielleicht sind es die Überreste eines Holzkastens, der mit einem Eisenband zusammengehalten wurde. Einer der eisernen Schlüssel (Abbildung 11) gehörte wahrscheinlich ebenfalls zu diesem Kästchen. Zusammen mit dem Spinnwirtel, dem eisernen Schmuckstück mit Eimeranhängern (Abbildung 13) und dem kleinen eisernen Messer (Abbildung 14) legen diese Beobachtungen den Schluss nahe, dass man hier die Bestattung einer Frau vor sich hat. Die anthropologischen Untersuchungen des Leichenbrandes stehen jedoch noch aus. Generell sind die aufgezählten Funde und vor allem der Holzeimer für diese Zeitstellung selten und deuten durchaus auf das Grab einer höhergestellten Person hin.
Die Untersuchung des Urneninhaltes in der Werkstatt des Landesamtes ergab, dass der hier gefundene Sand von kleinen Schmelzkügelchen aus Eisen, Bronze und Silber durchsetzt war (Abbildung 15). Eventuell ist ein Silberfibelpaar bei der Leichenverbrennung mit geschmolzen.

Resümee

Während der Grabungskampagne entlang des stark gefährdeten Bereiches an der Sandgrubenkante konnten Grabkomplexe der späten Bronzezeit (Lausitzer Kultur) und der späten römischen Kaiserzeit dokumentiert werden. Die Gräber der Bronzezeit waren allesamt durch Aufforstungen gestört, und es konnten nur noch Restinformationen zu diesen Grabkomplexen zusammengetragen werden.

Die Befunde der späten Römischen Kaiserzeit waren nur in Teilbereichen gestört, zwei Grabgruben waren unversehrt und enthielten neben der Urne, den Leichenbrandresten und reichlichen Metallbeigaben verschiedene Beigefäße in unterschiedlich gutem Erhaltungszustand. Die Gräber der in dieser Region beheimateten Elbgermanen weisen meist die Tradition der Urnenbestattung auf. Im Gegensatz zu den Bestattungen der Nord- und Westgermanen sind diese Urnengräber in der frühen römischen Kaiserzeit meist reich mit Grabbeigaben versehen. In der späten römischen Kaiserzeit werden die Grabbeigaben weniger, vor allem Waffen werden als Beigabe selten. Münzdatierte Gräber sind für die späte römische Kaiserzeit Mitteldeutschlands selten und als Brandgräber bisher nicht belegt. Das dreieckige Schmuckstück mit den ursprünglich drei Eimeranhängern stellt eine kleine Besonderheit dar; bislang gibt es nur eine Parallele: ein fast identisches Fundstück der Przeworsk-Kultur aus Opatóv in Polen.
Insgesamt erbrachte die archäologische Untersuchung im Bereich der Hangkanten trotz der modernen Eingriffe einige spannende Befunde, deren künftige wissenschaftliche Auswertung noch manche interessante Beobachtung erwarten lässt.


Text: Jana Harnisch, Brigitte Schiefer
Online-Redaktion: Tomoko Emmerling, Anja Lochner-Rechta

 

Literatur

A. Becker, Die metallbeschlagenen germanischen Holzeimer der Römischen Kaiserzeit. Jahrbuch des Römisch-Germanischen-Zentralmuseums Mainz 53, 2006, 345-521.

K. Klausnitzer, Ur- und Frühgeschichtliche Bodendenkmäler und Funde – Kreis Jessen/Elster (Jessen/Elster 1977).

S. Langhammer/B. Schiefer, Funde sogar aus Roms Kaiserzeit, Die Rettungsgrabung in der Sandgrube Axien-Hohndorf,. Heimatkalender für das Jessener Land, 2011, 101-104.

 

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