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Fund des Monats

Januar 2015: Ein Töpferofen am Topfmarkt

Der im Mittelalter noch unmittelbar an der Elbe gelegene Ort Jerichow ist für seine romanische Stiftskirche, die zu den frühesten und architekturgeschichtlich bedeutendsten Backsteinbauten nördlich der Alpen gehört, berühmt. Die in der Elbeniederung anstehenden Tonvorkommen fanden jedoch nicht nur bei der Ziegelproduktion Verwendung, sondern bildeten auch die Grundlage für die Herstellung von Gefäßkeramik. In der schriftlichen Überlieferung wird im Jahr 1682 erstmals ein Töpfer in Jerichow erwähnt, im Jahr 1816 werden dann zwei Töpferöfen genannt (Bathe 1961). Dass die Töpferei in Jerichow bereits im Mittelalter florierte, wurde erstmals beim Ausbau der Ortsdurchfahrt (Bundesstraße B 107) in den Jahren 2002 und 2003 deutlich, als baubegleitenden archäologischen Untersuchungen mehrere spätmittelalterliche Töpfereiabwurfhalden erbrachten. 2011 wurden dann bei Deichbauarbeiten unterhalb des heutigen Ortskerns in einem verfüllten Brunnenschacht Reste eines Töpferofens des 13./14. Jahrhunderts erfasst. In diesem Jahr konnte nun bei Bauarbeiten zur Anlage eines neuen Markplatzes im Zentrum von Jerichow ein spätmittelalterlicher Töpferofen dokumentiert werden, dessen Grundriss durch glückliche Umstände nahezu vollständig erhalten geblieben war. Die Fundstelle liegt unmittelbar nördlich des alten Topfmarktes (Abbildung 1).

Beim Auskoffern des Areals für den neuen Marktplatz wurde im Süden der Baustelle flächig eine Keramikkonzentration beobachtet (Abbildung 2). Aus einer stark mit Keramikscherben durchsetzten, zehn Zentimeter bis 20 Zentimeter starken Schicht konnten neben Bruchstücken von Kugeltöpfen, Grapen (Dreibeintöpfen) und Schalen auch Fragmente von Ofenkacheln geborgen werden. Überwiegend handelte es sich um graue und rote unglasierte Irdenware, vereinzelt kamen jedoch auch Bruchstücke von innen glasierten Grapen vor (Abbildung 3). Einige Fragmente waren deutlich als Fehlbrände und damit als Töpfereiabfall zu erkennen. Die Keramik erlaubt eine zeitliche Einordnung in das ausgehende Mittelalter. Am nördlichen Rand des südlichen Baubereichs wurde dann im Profil der verziegelte Lehmboden einer Ofenanlage festgestellt. Es zeigte sich später, dass nur das Ende eines Ofens abgebaggert worden war. Der Großteil der Anlage konnte in der nördlich anschließenden Fläche freigelegt werden.

Der etwa Nordsüd-orientierte Ofen besaß einen ovalen Grundriss (Abbildung 4 und 5). Seine Breite betrug 1,7 Meter und seine Länge noch 3,3 Meter. Ursprünglich dürfte der Ofen gut vier Meter lang gewesen sein. Der Ofenboden bestand aus verziegeltem Lehm. An den flachen Boden schloss sich eine senkrechte Ofenwandung an. Besonders gut war der Wandungsansatz an der Westseite des Ofens erhalten. Die ebenfalls aus gebranntem Lehm bestehende Ofenwand war hier circa acht Zentimeter breit. Die Ofenöffnung und der Feuerungsraum lagen im Norden. Hier befand sich auch die tiefste Stelle der Anlage. Der Feuerungsraum war mit zwei bis drei Zentimeter starken Steinplatten ausgelegt und nach außen durch Ziegelsteine begrenzt.

Der die Steine umgebende Lehm war hellgrau verziegelt beziehungsweise durch eine Ascheauflage verfärbt und mit Holzkohle durchsetzt. Drei eingetiefte Hitzezüge verliefen leicht ansteigend vom Feuerungsraum in den Innenraum des Ofens. Ihre Tiefe lag im Norden bei circa fünf Zentimeter. Die Züge waren durch erhöhte zungenförmige Bereiche getrennt, deren Niveau dem des südlichen Ofenbodens entsprach. Der Boden der Hitzezüge war hellgrau-rötlich, der Boden des Brennraumes im hinteren Teil des Ofens sowie die hinteren Bereiche der flachen Zungen waren überwiegend rötlich gebrannt. Auf dem südlichen, hinteren Ofenboden ließen sich außerdem Abdrücke von Stroh- und Pflanzenresten erkennen, die dem Ofenlehm beigegeben worden waren. Je eine dunkelgraue runde Verfärbung von 14 Zentimeter Durchmesser zeichnete sich am Beginn der Zungen im Norden des Ofens ab. Die Verfärbungen stammen von Ofensäulen, die den Feuerungsraum von Brennbaum, in dem die Gefäßkeramik gebrannt wurde, trennten. Die Säulen dienten als Prellwand gegen das direkte Feuer.
Zwei Störungen von 20 bis 30 Zentimeter Durchmesser im nördlichen Drittel des Ofens waren jüngeren Datums und sind nicht mit der Ofennutzung in Zusammenhang zu sehen.
Ein Längsprofil durch den Ofen zeigte, dass der gebrannte Lehmboden im hinteren Brennraum fünf Zentimeter und im Feuerungsraum sowie im Bereich der Hitzezüge drei bis vier Zentimeter stark war. Unter dem Ofenboden lag eine durchgängige fünf bis zehn Zentimetermächtige dunkelgraubraune humos-sandige Schicht, die den anstehenden Sand überdeckte.

Bei der Anlage handelt es sich um einen liegenden Ofen mit Lehmkuppel. Derartige Öfen, bei denen Feuerungsraum und Brennkammer hintereinander lagen, waren im Mittelalter weit verbreitet (Abbildung 4). Meist besaßen diese Öfen jedoch ein deutliches Gefälle vom tiefer liegenden Feuerungs- zum höher gelegenen Brennraum, in dem die Keramik aufgeschichtet wurde. Am Ende des Brennraums befand sich eine Abzugsöffnung in der Ofenkuppel beziehungsweise ein Schornstein. Die Keramik wurde in derartigen Öfen bei etwa 800 Grad Celsius bis 1050 Grad Celsius gebrannt. Dabei war es möglich, die Brennatmosphäre gezielt zu steuern: ein reduzierender Brand führte zu einer grauen und ein oxidierender Brand zu einer rötlichen Färbung der Keramik.

Unmittelbar westlich des Töpferofens wurde der Unterbau eines etwas jüngeren, aus Ziegelsteinen gesetzten rechteckigen Ofens freigelegt (Abbildungen 5 und 6). Seine Südost-Ecke tangierte den ovalen Töpferofen, ohne ihn jedoch zu stören. Die Ziegel des rechteckigen Ofens waren hier mit einer leichten Rundung an den älteren Töpferofen angepasst worden. Der Töpferofen dürfte also noch gestanden haben, als man den rechteckigen Ofen daneben errichtete. Die Nordwest-Südost ausgerichtete rechteckige Anlage war ein Meter breit und 2,2 Meter lang. An den Rändern waren stellenweise Reste einer einschaligen Ofenwand erhalten, zum Teil ließ sich die Wandung anhand von Abdrücken in einem sandigen Lehmmörtel erkennen. Der Boden des Ofens bestand aus in Querreihen verlegten Ziegeln. Hitzeeinwirkung hatte zu einer Graufärbung der Ziegel geführt. Von der Ofennutzung zeugte außerdem eine aufliegende Ascheschicht.

Ein Profil, das im Übergangsbereich des ovalen Töpferofens und des aus Ziegeln erbauten rechteckigen Ofens angelegt wurde, ließ durch seine Stratigraphie deutlich erkennen, dass letzterer jünger war, aber offenbar bewusst nicht in die Wandung des älteren Ofens eingriff. Auch die Ziegelformate legen eine zeitliche Abfolge zwischen den Öfen nahe. Die Ziegel an der Öffnung des Töpferofens stehen mit Höhen von circa neun Zentimeter noch in spätmittelalterlicher Tradition, während die nur circa sechs Zentimeter hohen Ziegel des rechteckigen Ofens bereits in die frühe Neuzeit weisen. Keramikscherben aus einer Verfüllschicht in dem ovalen Töpferofen sind mit dem westlich des Ofens geborgenem Material vergleichbar und in das ausgehende 15. Jahrhundert beziehungsweise in die Zeit um 1500 zu datieren. Glasierte Stücke fehlten in der Ofenverfüllung allerdings vollständig.
Einen interessanten Vergleich zu den Jerichower Öfen stellen Befunde vom Augustusplatz in Leipzig dar (Ronnefeldt 2007). Dort wurde neben ovalen Töpferöfen aus Lehm ebenfalls ein kleinerer rechteckiger Ofen in Ziegelbauweise aus der Zeit um 1500 aufgedeckt. Tiegelbruchstücke legen die Vermutung nahe, dass in dem rechteckigen Leipziger Ofen Material für Keramikglasuren hergestellt wurde. Eine derartige Interpretation wäre auch für Jerichow plausibel. Am Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit wurde beim Gebrauchsgeschirr unglasierte Irdenware durch innen glasierte Keramik abgelöst. Auch in der Keramikproduktion manifestierte sich so der Beginn eines neuen Zeitalters.


Text: Götz Alper
Online-Redaktion: Julia Kruse, Anja Lochner-Rechta

 

 

Literatur

M. Bathe, Jerichow, die Stadt neben dem Strom. Zwischen Elbe und Havel. Heimatheft des Kreises Genthin 1961, Heft 2, 33-36, Heft 3, 35-39, Heft 4, 24-29.

A. Heege, Töpferöfen. Die Erforschung frühmittelalterlicher bis neuzeitlicher Töpferöfen (6.–20. Jh.) in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Basler Hefte zur Archäologie 4 (Basel 2007).

J. Litzel, Jerichow an der Elbe - Stadt am Holzweg: In: F. Biermann/ T. Kerstin/ A. Klammt (Hrsg.), Siedlungsstrukturen und Burgern im Westslawischen Raum (Langenweissbach 2009) 397-403.

Chr. Ronnefeldt, Töpferöfen in der Grimmaischen Vorstadt in Leipzig, Sachsen D. In: A. Heege (Hrsg.),  Töpferöfen. Die Erforschung frühmittelalterlicher bis neuzeitlicher Töpferöfen (6.–20. Jh.) in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Basler Hefte zur Archäologie 4 (Basel 2007), 385-397.

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