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Fund des Monats

November 2016: Urnenbestattung eines germanischen Kriegers aus Allstedt

Die Urne ist Teil eines Gräberfeldes, welches im Oktober 2013 in Allstedt (Landkreis Mansfeld-Südharz) gefunden wurde (Abbildung 1).

Die Urne selbst ist stark zerscherbt und sehr schlecht erhalten. Sie wurde bei der Ausgrabung im Gipsblock geborgen, um sie im Anschluss in der Restaurierungswerkstatt freizulegen (Grabungsnummer: 6588; Befundnummer: 8; Fundnummer: 2). Der Gipsblock wurde geöffnet und der Gefäßinhalt der Keramik in unterschiedlichen Plana freigelegt und entnommen. In der ersten Erdschicht lag oben auf der Urne ein Buntmetallfragment, vermutlich aus stark kupferhaltigem Silber. Beim weiteren Freilegen kamen diverse stark korrodierte Eisenobjekte zum Vorschein (Abbildungen 2 und3). Zunächst ein Messer und eine Bügelschere, welche auf einem Schildbuckel festkorrodiert waren. Aus dem Schildbuckel ragt die Tüllenöffnung eines Lanzenschuhs. Unter dem Schildbuckel lag ein halbrundes Rasiermesser. Ganz unten, also direkt auf dem Leichenbrand, befand sich eine sehr lange, umgebogene Lanzenspitze. Im Leichenbrand befanden sich außerdem Reste von zwei Knochennadeln. Nach der vollständigen Entnahme des Inhaltes wurden die einzelnen Scherben der Urne wieder zu einem Gefäß zusammengesetzt.

Durch die Restaurierung entstand ein zum größten Teil erhaltenes, situlenförmiges Keramikgefäß (Abbildung 4) mit glatter schwarzpolierter Oberfläche (diese sollte Metallgefäße imitieren). Es handelt sich um eine Grabkeramik aus den ersten Jahrhunderten nach Christus. Die Urne ist etwa 34 Zentimeter hoch und an der Schulter 38 Zentimeter breit. Die Schulterzone ist mit einem mehrfach gebrochenen, fortlaufenden Mäanderband in Stichbandmuster verziert (Abbildung 5). Die Stichbandverzierung wurde mit einem zweizinkigen Holz- oder Knochengerät in die lederhart getrocknete Gefäßoberfläche eingestochen. Das Stichband wird hier jeweils durch Ritzungen zu beiden Seiten eingerahmt (Abbildung 6); durch die Parallelstellung der Zinken erhält man ein Doppeltes, durch eine versetzte Stellung der Zinken erhält man ein einfaches Stichbandmuster.

Die ursprüngliche Oberfläche der eisernen Beigaben konnte durch die Restaurierung wieder freigelegt werden (Abbildung 7). Neben der Bügelschere und den beiden Messern wurde auch der Schildbuckel bearbeitet. Durch die starke Korrosion des Schildbuckels war der Innenraum (die Unterseite) völlig verdeckt (Abbildung 8). So war zunächst nicht sichtbar, dass der komplette Hohlraum des Schildbuckels mit den restlichen kleinteiligen Eisenobjekten gefüllt war. Diese wurden hierin wie in einer Schale gesammelt abgelegt (Abbildung 9). Sie sind zusammenkorrodiert und lassen sich auch durch das Freilegen der Objekte nicht voneinander trennen. Durch die Freilegung lassen sie sich aber wieder sehr gut erkennen.
Der Schildbuckel hat eine konisch spitze Form und sechs Nietlöcher; fünf einzelne Niete befanden sich in der Urne. Am Schildbuckelrand ist eine Bruch- oder verschweißte Stelle – hier sind die zwei Eisenbleche leicht übereinander geschoben (Abbildung 10).
Durch das Freilegen ist (Abbildung 11) links unten der Lanzenschuh, in Form einer konischen Tülle mit einem Eisenniet zur ursprünglichen Befestigung an dem unteren Ende des Holzschaftes der Lanze, erkennbar. Hier konnte ein Rest von dem bei der Einäscherung verkohlten Holz gesichert und entnommen werden. Quer über den anderen Objekten liegt, von links oben nach rechts unten, ein vierkantiger Pfriem mit einer Spitze auf jeder Seite. Darunter, rechts davon, liegt mittig eine Fibel. Die Fibel hat einen geschwungenen Bügel mit einer daraufsitzenden Verdickung. Durch die schlechte Erhaltung ist schwer zu sagen, wie viele Windungen die Spirale hat, es sind aber mindestens vier. Außerdem sind vier der Schildbuckelniete mit ihren umgebogenen Nietstiften in dem Hohlraum des Schildbuckels verteilt; ein weiterer Niet befindet sich außerhalb des Schildbuckels. Weiterhin befindet sich auf der linken Seite ein flaches zusammengebogenes Eisenband und im Hohlraum der Fibel ein bandförmiger Eisenring (beides eventuell Zwingen von dem Messer).

Den größten Erkenntnisgewinn lieferte jedoch die zusammengebogene Lanzenspitze, welche direkt auf dem Leichenbrand abgelegt wurde. Das besondere an dieser Lanzenspitze ist das geometrische Muster, welches erst durch die Freilegung der Eisenoberfläche erkennbar wurde (Abbildungen 12 und13). Die beigegebene Lanzenspitze hat ein sehr langes und schmales Blatt mit einem Mittelgrat. Die Tülle ist geschlossen und hat einen runden Querschnitt mit erhaltenem Eisenniet. Sie hat eine komplette Länge von 47 Zentimeter und eine maximale Breite von drei Zentimeter. Die Muster auf dem Lanzenblatt sind jeweils auf der Vorder- und auf der Rückseite (Abbildung 14), rechts ein Rautengittermuster und links ein Kreisaugenmuster. Der Durchmesser der Kreisaugen beträgt sechs Millimeter). Die unterschiedlichen Muster stehen sich jeweils gegenüber.
Das Muster auf der Lanzenspitze wurde vermutlich mit einem Stempel, Punzen oder mit einer Art zweiteiligem Gesenk eingeprägt. Es scheint keine exakte Wiederholung im Muster zu geben, was nicht für die Verwendung von einzelnen Punzen spricht. Die Lanzenspitze hat ein Muster, welches ursprünglich bei der Verzierung von Keramik verwendet wurde. Herstellungstechnisch würde bei der Verzierung von Keramik ein Kreisaugenmuster sehr einfach mit Hilfe eines Stempels oder mit Hilfe eines zweizinkigen Gerätes (ein Seite einstechen und den Kreis wie mit einem Zirkel ziehen) angefertigt werden. Um Bänder zu gestalten, wie das Rautengittermuster, würden Rollstempel verwendet werden. Eine Blattseite ist antik beschädigt. Der Mittelgrat verläuft ab der abgebrochenen Ecke (siehe Abbildung 14 unten links kurz über der Tülle) nicht mehr in der Mitte der Lanzenspitze. Es kann sich hierbei aber auch um einen absichtlich hergestellten Absatz handeln.

Durch die starke Korrosion und vermutlich auch durch die mechanische Beanspruchung beim Verbiegen der Lanzenspitze, ist das Muster im mittleren Bereich nicht mehr beziehungsweise sehr schlecht erhalten. Auch ist an einigen Stellen die Oberfläche, durch die Ausbildung von Rostblasen bei der Korrosion, verloren gegangen. Zu der Lanze gehört noch ein Lanzenschuh, welcher im Inneren des ebenfalls beigegebenen Schildbuckels festkorrodiert ist.
Ein kleiner Holzkohlerest (Abbildung 15) aus der Tülle des Lanzenschuhs konnte entnommen, mikroskopisch untersucht und analysiert werden. Die Holzartenbestimmung (mikroskopische Bestimmung durch Vera Keil, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt) ergibt ein ringporiges Laubholz. Alle erkennbaren Anhaltspunkte deuten auf Esche als mögliches Holz des ehemaligen Speerschaftes hin.

Der verkohlte Holzrest aus der Tülle zeigt, dass der Tote zunächst mit seinen Waffen und Beigaben verbrannt wurde. Hierbei sind auch die kompletten organischen Bestandteile der Waffenbeigaben verbrannt. Im Anschluss wurden der menschliche Leichenbrand und die nicht verbrannten Beigaben in der Grabkeramik deponiert. Die Lanzenspitze wurde rituell verbogen und auf den Leichenbrand gelegt (um sie einerseits unbrauchbar zu machen aber sicherlich auch, damit diese überhaupt in die Urne passt). Der Leichenbrand wurde nach Schmelzkugeln geröntgt (Röntgenuntersuchung durch Heiko Breuer, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt). Das Ergebnis blieb jedoch negativ. Es ist also kein kugelförmig geschmolzenes Metall in den Knochenresten zu finden. Somit ist das Silberfragment schon als Fragment beigegeben worden.


Text: Vera Keil
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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