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Fund des Monats

Oktober 2018: … in einem Walde bei der Stadt …

Auf der ersten Erhebung nach der Leipziger Tieflandbucht unweit östlich der Stadt Zeitz (Burgenlandkreis) befinden sich die Reste des Klosters Posa. Die Anlage dominierte den Bergsporn der sich deutlich über die Elsteraue erhebt (Abbildung 1). Die hervorragenden naturräumlichen Gegebenheiten dürften bereits in ur- und frühgeschichtlicher Zeit ein großes Interesse an diesem Platz geweckt haben. Heute sind auf dem Berg unschwer die Reste einer komplexen Wallanlage zu entdecken. Leider entzieht sich diese Befestigung momentan noch einer genauen Datierung. Vorstellbar ist deren Errichtung aber bereits in der Bronzezeit. Innerhalb der Wallanlage wurde zu Beginn des 12. Jahrhunderts das Kloster Posa errichtet, welches reich ausgestattet und mit Benediktinermönchen aus dem hessischen Hirsau besetzt wurde. Vom Kloster ist heute außer dem ehemaligen Gästehaus und einigen Kellern kaum noch etwas erhalten. Unser Wissen über die Anlage stammt ganz wesentlich aus einem von 1659 überlieferten Plan – welcher erst vor wenigen Jahren entdeckt wurde – sowie aus den Ergebnissen dreier Ausgrabungen, die in den Jahren 1843/45, 1874 und 1899 durchgeführt wurden (Abbildungen 2 und 3). Außerdem gibt es einige Abbildungen der Klosterbauten, die allerdings erst nach der Reformation und damit nach der Aufhebung des Klosterstatus entstanden sind.

In diesem Zusammenhang stellte es eine glückliche Fügung dar, dass der gegenwärtig auf Posa tätige Verein »Kultur - und Bildungsstätte Kloster Posa e.V.« einen kleinen Teich sanieren möchte, der vor einigen Jahren hier ohne archäologische Begleitung angelegt worden war. Die Arbeiten zur Erkundung und Dokumentation des Teichgrundes begannen bereits im Jahre 2017 und werden gänzlich ehrenamtlich durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Arbeiten bereichern unser Wissen über das Kloster und vor allem über die noch weiter zurückliegende Vergangenheit des Berges erheblich und sollen folgend kurz vorgestellt werden (Abbildung 4).

Allzu oft wird der Berg und insbesondere seine Befestigung mit der aus hochmittelalterlichen Schriftquellen bekannten Burganlage «Puonzowa» in Verbindung gebracht. Tatsächlich gibt es vom Fuße des Berges einige Fundstücke, die in das 10. Jahrhundert datiert werden können. Möglicherweise spielte die Befestigungsanlage auf dem Berg in ihrer dominanten Position über der Elsteraue eine größere Rolle in der Zeit der Christianisierung unserer Region, als dies bisher angenommen wurde.
Mit der Verbreitung des Christentums unter den seinerzeit wohl in der Mehrzahl slawischen Einwohnern der Zeitzer Region hängt der Versuch zusammen, eine erste historisch verbürgte Nachricht mit dem Ort Posa zu verbinden. Der Merseburger Bischof Thietmar schreibt nämlich aus einem Abstand von etwa 60 Jahren über seinen Vorgänger Boso:

«… und hatte dann zu schuldiger Belohnung für seine großen Anstrengungen die Leitung der Gemeinde zu Zeiz erhalten. Darauf erbaute er in einem Walde bei der genannten Stadt, den er selbst ausroden und mit Häusern besetzen und nach sich benennen ließ, ein steinernes Gotteshaus, für dessen Einweihung er auch sorgte.»(Laurent 1879, 54).

Möglicherweise bezog Thietmar den Namen des Ortes, an dem sich die Kirche befand, auf Bosos Namen. Das könnte eine Erklärung für die Mitteilung einer solchen ungewöhnlichen Vorgehensweise sein. Bisher ist nichts über eine Kirche bekannt, die von Boso hier errichtet worden sein könnte, vielmehr wird über deren Standort gerade in der Heimatliteratur immer wieder heftig spekuliert.
Erst im Jahr 1114 weihte der Zeitzer Bischof auf Posa eine kleine Holzkirche und in der Folge wurde das Kloster errichtet, dessen Weihe dann 1122 erfolgen konnte. In der Folgezeit wurde die Klostergründung mit umfangreichen Besitzungen ausgestattet. Beispielsweise übereignete man dem Konvent die Einkünfte der Pfarrkirche in Zwickau. Im 12. und im 13. Jahrhundert erlebte das Kloster seine Blütezeit. Für das Jahr 1185 vermelden die Urkunden bereits mindestens 32 Mönche, die hier gemeinsam lebten. An ihrer Spitze stand der Abt des Klosters, der dieses auch nach außen vertrat und der des Öfteren bei Beurkundungen als Zeuge mitwirkte.

Neben dem Gebet und der Befolgung der umfangreichen Ordensregeln, die der Hl. Benedikt im 5. Jahrhundert aufgestellt hatte, verwalteten die Mönche den umfangreichen Landbesitz des Klosters. Dieser wurde im Laufe der Zeit durch zahlreiche Schenkungen vermehrt. Ein Privileg der Mönche war die Kenntnis der Schrift. In vielen Klöstern dieser Zeit gab es ein mehr oder weniger gut ausgestattetes Scriptorium. Hier kopierten die Mönche zahlreiche Handschriften und trugen damit ganz wesentlich zu deren Erhalt und zu deren Verbreitung bei. Das Posauer Scriptorium arbeitete in hoher Qualität (Abbildung 5). Es übertraf damit die Werke vieler anderer Scriptorien mitteldeutscher Klöster. Der Reformation schließlich konnte sich das Posaer Kloster bis fast zur Mitte des 16. Jahrhunderts entziehen. Zuletzt wurde es sehr stark mit Steuern belastet und galt 1545 formal als aufgelöst. Der letzte Abt starb 1553 und wurde noch in der Klosterkirche bestattet. Die Bauten aus der Klosterzeit sind heute fast vollständig verschwunden. Ihre Steine dienten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Baumaterial für den Neubau des Zeitzer Schlosses.

Unser Bild von Posa wird heute bestimmt von einem mächtigen Baukörper am steil abfallenden Hang des Fockendorfer Grundes. Dieser Bau kann noch in das 12. Jahrhundert datiert werden und diente wahrscheinlich als Gästehaus des Klosters (Abbildung 6).

Der kürzlich untersuchte Teich befand sich ganz im Osten der heute überwiegend von Gebäuden des 18. und 19. Jahrhunderts bestandenen Anlage. Bereits bei der Entfernung der alten Teichfolie kamen umfangreiche Mauerreste zum Vorschein, die in dieser Form nicht erwartet wurden. Ganz offensichtlich war der Teich unmittelbar im Bereich des Ostabschlusses der ehemaligen Klosterkirche angelegt worden. Mit der weiteren Freilegung und der Dokumentation der archäologischen Befunde gelang es nun, in der recht kleinen Fläche drei Hauptphasen aus der Bau- und Siedlungsgeschichte des Klosterberges herauszuarbeiten und zu dokumentieren. Als jüngster Befund wurde ganz im Osten der Untersuchungsfläche ein riesiger Fundamentblock aus Sandsteinen und Kalkmörtel ergraben, der anhand des vorhandenen Planes ganz unzweifelhaft als Ostwand des gotischen Chores der Klosterkirche zu identifizieren ist. Im 14. Jahrhundert wurde die Kirche modernisiert, indem die romanische Hauptapsis abgebrochen und durch einen zeitgemäßen polygonalen Chorschluss ersetzt wurde. Das mächtige Mauerwerk dieses neuen Ostabschlusses der Kirche weist eine ganz deutliche Baunaht auf, die darauf verweist, dass das ursprüngliche Fundament wohl nur relativ kurze Zeit nach seiner Errichtung erheblich verstärkt wurde. Wahrscheinlich bereitete also der an die Kirche angefügte gotische Chor solche statische Probleme, dass diese nur mit einer starken und großflächigen Verstärkung des Fundamentes in den Griff zu bekommen waren.

Im westlichen Bereich der Untersuchungsfläche zeigt sich herausragend und deutlich das Fundamentmauerwerk der im Zuge des gotischen Umbaus ausgebrochenen Hauptapsis der Klosterkirche. Das Apsidenfundament wurde äußerst exakt und halbkreisförmig angelegt und aus plattigen Sandsteinen in Lehmbindung lagenweise errichtet. Durch die urkundliche Überlieferung können wir den Zeitpunkt dieser Bauphase relativ exakt in die Jahre zwischen 1118 und 1122 datieren.
Mit dem Bau des etwa drei Meter weiter nach Osten vorgeschobenen gotischen Chorschlusses im 14. Jahrhundert wurde die Apsis überflüssig und musste ausgebrochen werden (Abbildungen 7 und 8). Das geschah erstaunlich gründlich, weit unter die notwendige Tiefe. Offensichtlich legte man viel Wert darauf, die Steine einer Wiederverwendung zuzuführen. Im Rahmen des gotischen Umbaus wurde die dadurch entstandene Ausbruchgrube verfüllt und mit einem neuen Kirchenfußboden überpflastert, der aller Vorrausicht nach aus großen Sandsteinplatten bestand, von dem jedoch kein Rest erhalten ist (Abbildung 9). Das Fragment einer solchen Fußbodenplatte konnte jedoch aus dem Abrisshorizont des 17. Jahrhunderts geborgen werden.

Während die beschriebenen beiden Bauphasen des Ostteils der Kirche die bisherigen Untersuchungsergebnisse und die Angaben des überlieferten Planes bestätigten, war das Auffinden einer großen Menge von Steinen westlich und auch östlich des romanischen Apsidenfundamentes völlig überraschend. Teile dieser Steinsetzung wurden wohl schon bei der Grabung 1874 wahrgenommen, teilweise zerstört und zur dieser Zeit als Fundamentierung des gotischen Hochaltars gedeutet.
Im Zuge der Untersuchungen konnte die Steinsetzung aus mehrheitlich gelesenen und nicht als gebrochenen – aber ziemlich einheitlichen – gelbbraunen Sandsteinen sehr unterschiedlicher Größe auf einer Fläche von nunmehr etwa fünf mal sechs Metern nachgewiesen werden. Die Steine liegen meist noch mehrlagig übereinander und wurden in einen mittelbraunen Lehm gesetzt beziehungsweise geschüttet. Ganz im Westen der Untersuchungsfläche wurde unlängst ein kleines Stück der Außenkante dieser Steinsetzung freigelegt. Hier wurde das Fundament deutlich tiefer eingebracht und auch sorgfältiger errichtet als im Zentrum der Fläche. Dieses bisher unbekannte Fundament stellt die eigentliche Überraschung der Untersuchung dar. Schon sehr bald wurde erkenntlich, dass dieses Mauerwerk deutlich älter als die romanische Apsis der Klosterkirche ist (Abbildung 10). Darauf verweist zum einen, dass die Baugrube für die Kirche die Fundamentierung schneidet und zum anderen ein dünner Humushorizont, der sich über dem Fundament ablagerte und aus welchem Keramik geborgen werden konnte, die in das 11. Jahrhundert zu datieren ist. Betrachtet man diese Fakten, erscheint es durchaus möglich, dass wir hier auf die Fundamentierung eines Turmbauwerkes aus dem 10. Jahrhundert gestoßen sind.

Ein solcher Baubefund erlaubt es nun erstmals, die vor der Klostergründung liegende Geschichte des Ortes zu beleuchten, zu der keine schriftliche Überlieferung erhalten ist. Vielleicht hat es hier eine frühdeutsche Befestigungsanlage gegeben, die eine ältere Wallanlage weiternutzte und vielleicht sogar mit Mauern auf den Wallkronen verstärkte (erste Hinweise im Gelände deuten darauf hin). Und befand sich vielleicht inmitten dieser Burganlage die von Thietmar erwähnte steinerne Kirche, die sein Amtsvorgänger Boso errichtet hatte?
Weitere Untersuchungen könnten dabei etwas mehr Licht ins Dunkel bringen. Bemerkenswerterweise zeigt bereits die intensive Beobachtung der Geländesituation im Areal der ehemaligen Kirche, dass es möglicherweise im Bereich ihres Langhauses einen Vorgängerbau gegeben hat. Vielleicht war dieser Bau ursächlich für den sehr ungewöhnlichen Höhenunterschied zwischen Langhaus und Chor der Klosterkirche, der mit vielleicht 12 bis 14 Stufen überwunden werden musste – und den man sich bei den älteren Forschungen nur mit dem Vorhandensein einer Krypta erklären konnte, die es aber mit Sicherheit nie gegeben hat.
Mit diesen neuen Untersuchungen deutet sich an, dass der Posaer Berg wohl für die Gründung der Stadt Zeitz und für deren Frühgeschichte eine viel größere Bedeutung hatte, als das bisher angenommen werden konnte. Vielleicht gelingt es hier einmal exemplarisch zu belegen, wie sich die Herausbildung der mitteldeutschen Städtelandschaft im hohen Mittelalter zur Zeit der beginnenden Christianisierung vollzogen hat.


Text: Philipp Baumgarten, Holger Rode
Online-Redaktion: Georg Schafferer, Anja Lochner-Rechta

 

Literatur

M. Laurent,  Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Uebersetzt von M. Laurent (Leipzig 1879).

Jörg Richter/Holger Rode, Zur Genese der Stadt Zeitz – Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme. Archäologische Berichte aus Sachsen-Anhalt 1993 (Halle [Saale] 1994) 185–194.

Reinhard Schmitt, Zur Baugeschichte des ehemaligen Benediktinerklosters Bosau (Posa bei Zeitz). „ES THUN IHER VIEL FRAGEN“ – Kunstgeschichte in Mitteldeutschland. Beiträge zur Denkmalkunde in Sachsen-Anhalt Band 2 (Petersberg 2001) 53–72.

Reinhard Schmitt, Die mittelalterliche Burg in Zeitz und Kloster Bosau bei Zeitz. Ein Nachtrag. Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 11 (Halle [Saale] 2002) 199–216.

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