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Fund des Monats

September 2018: Der erste Brakteat Heinrichs von Gardelegen (um 1155 bis 1192) aus Gardelegen

Von Juni 2013 bis Mai 2014 wurde die Burgstraße in Gardelegen umfassend saniert (Abbildung 1). Während der archäologisch begleiteten Tiefbauarbeiten (D911/6333) konnte eine Vielzahl an Befunden und Funden dokumentiert beziehungsweise gesichert werden. Durch den täglichen Einsatz eines Metalldetektors gelang es, Bunt-, Weiß- und Edelmetallobjekte, die sich ansonsten einer visuellen Wahrnehmung entziehen, in einem beachtlichen Umfang zu orten und zu bergen. Zu dieser Materialgruppe zählen unter anderem Schnallen, Heftel, Knöpfe, Beschläge, Fingerhüte, Musketenkugeln und Münzen.

Die hier vorzustellende Münze aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert ist ein einseitig auf Silberblech geprägter stummer, das heißt ohne Umschrift versehener Brakteat mit einem Durchmesser von 23 Millimeter (Durchmesser der Prägung 16 Millimeter). Dargestellt ist das 7,5 Millimeter hohe Brustbild des Münzherrn ohne Kopfbedeckung mit einem Schwert in der Rechten und einer Fahnenlanze in der Linken (Abbildung 2).

Unterhalb des Münzherrn befindet sich ein Doppelbogen, der einen liegenden Schlüssel mit nach links oben weisendem Bart umschließt. Sie kann Heinrich Graf von Gardelegen, einem Enkel Albrechts des Bären, zugeschrieben werden (Abbildung 3). Heinrich wurde bald nach 1150 geboren. Sein erstgeborener, kinderloser Bruder Otto (II., der Freigebige) fungierte schon zu Lebzeiten seines gleichnamigen Vaters als Markgraf und regierte nach dessen Tod (1184) allein. Zur Sicherung der dynastischen Erbfolge wurde aber Heinrich in die Belehnung einbezogen. Ihm fiel eine Grafschaft im damaligen Balsamland zu, das sich im südlichen Teil der heutigen Altmark zwischen Gardelegen, Stendal und Tangermünde erstreckte. Seinen Wohnsitz nahm er auf der Burg Gardelegen. Heinrichs ausgeprägte religiöse Neigungen führten zum Bau der St. Stephanskirche in Tangermünde und des »Doms« St. Nikolaus in Stendal nebst Chorherrenstift. Sein Plan, ein altmärkisches Bistum als »Mittelpunkt der geistigen Bildung und Kunstpflege in der ganzen Mark Brandenburg« zu schaffen, ging nicht in Erfüllung. Heinrich starb bereits 1192 ohne Nachkommen zu hinterlassen.

Belegt ist, dass Heinrich als Graf von Gardelegen das Münzrecht ausübte und in der markgräflichen Münzstätte in Salzwedel prägen ließ. Im Münzbild ist unter anderem stets ein Schlüssel für Salzwedel und (seltener) die Aufschrift »HEINRICVS COMTE« (auch »HINREVS ICOMTE«) erkennbar. Ein stummer, jedoch eindeutig Heinrich zuzuordnender Brakteat (Bahrfeldt Nr. 111) wurde 1878 in Bömenzien nordöstlich von Arendsee in einem Münzschatz gefunden. In Kusey bei Klötze konnten 1912 ebenfalls mehrere Gepräge Heinrichs, in diesem Fall Brakteaten und Denare, die um 1195 verborgen worden waren, sichergestellt werden. Der nun in Gardelegen aufgetauchte Brakteat war in beiden Funden nicht enthalten.
Nach dem Tod Otto II. (1205) trat Albrecht Graf von Arneburg, ein Halbbruder aus zweiter Ehe Ottos I., die markgräfliche Nachfolge als Albrecht II. an. Seine Söhne Johann I. und Otto III. gelangten 1220 zunächst unter Vormundschaft in das Markgrafenamt und regierten gemeinsam bis zu ihrer beider Tod 1266 beziehungsweise 1267. Sie sind als »Städtegründer« in die Geschichte eingegangen. Auf ihre Initiative geht unter anderem die Gründung der Neustadt Salzwedel (1247) zurück. Belegt ist ihre Regentschaft durch zwei weitere in der Burgstraße geborgene Denare aus den Jahren um 1222 und um 1260.
Der an der Einmündung des Klingbergs in die Burgstraße im nördlichen Gehwegbereich gefundene Brakteat war bereits bei früheren Bauarbeiten (Verlegung eines Erdkabels) verlagert worden. Dies erklärt vielleicht die Beschädigungen im Randbereich der Münze. Obwohl sie stratigrafisch nicht sicher zuzuordnen ist, belegt sie dennoch Handel und Wandel in der Gardelegener Burgstraße seit dem Ende des 12. Jahrhunderts, etwa jenem Zeitraum, in dem Gardelegen erstmals als Ansiedlung städtischen Charakters (oppidum) urkundlich Erwähnung fand. Nur wenige Meter vom Fundort der Münze entfernt traten im April beim flächigen Abtrag für einen künftigen Parkplatz zwei fragmentarisch erhaltene Klappwaagen zu Tage, davon eine mit reicher Ringaugenzier auf dem Balken. Auch zwei Stili (Schreibgriffel) stammen aus dem näheren Umkreis.


Text: Reinhard Heller
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

 

Literatur

E. Bahrfeldt, Das Münzwesen der Mark Brandenburg von den ältesten Zeiten bis 1701 (Berlin 1889).

E. Bahrfeldt, Altmärkischer Münzenfund. In: B. Kluge (Hrsg.) E. Bahrfeldt. Mittelaltermünzen. Ausgewählte Schriften 1881-1928 (Leipzig 1987) 204-222.

L.F. Beck, Die Askanier in Brandenburg. Dynastie und Territorialherrschaft. In: J. Müller/K. Neitmann/F. Schopper (Hrsg.), Wie die Mark entstand. 850 Jahre Mark Brandenburg. Tagung Brandenburg a.d. Havel 2007. Frsch. Arch. Land Brandenburg 11) Einzelveröff. Brandenburg. Landeshauptarchivs 9 (Wünstorf 2009) 324-337.

H.-D. Dannenberg, Die Brandenburgischen Denare des 13. und 14. Jahrhunderts (Berlin 1997).

U. Frommhagen, Die Stellung der Elbburg Tangermünde innerhalb der altmärkischen Burgenlandschaft vom 9. bis 12. Jahrhundert. Burgen u. Schlösser Sachsen-Anhalt 17, 2008, 38-91.

U. Frommhagen, Die Bedeutung der Elbburg Tangermünde innerhalb der altmärkischen Burgenlandschaft. Jahresber. Altmärk. Ver. Vaterländ. Gesch. 79, 2009, 5-69.

v. Graba: Der Brakteatenfund von Bömenzien. 1878. Jahresber. Altmärk. Ver. Gesch.. u. Industrie 19, 1879, 99-112.

P. Pflanz, Graf Heinrich von Gardelegen. Lieb Heimatland Gardelegen 5/1, 1929 (ohne Paginierung).

J. Schultze, Die Mark Brandenburg. Bd. 1: Entstehung und Entwicklung unter den askanischen Markgrafen (bis 1319) (Berlin 1961; Nachdruck Bd. 1-5: Berlin 1989).

 

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