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Denkmal des Monats

Januar 2021: Kirche St. Jakobi, Stendal

Die nach rechts blickende kniende Gestalt mit weißem Chorrock und Tonsur ist als Kleriker skizziert und mit Spruchband und Wappen als Stifter zu erkennen (Abbildung 1). Die Inschrift mit gotischen Minuskeln auf dem nimbusartig über dem Kopf ausgerollten Band lautet: Cr(i)ste • fili • dei • vivi • miserere • nobis (Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich unser) und zitiert damit den Anfang einer Litanei. Das Wappen, ein nach rechts schreitender roter Hahn auf weißem Grund, kann keiner historischen Person eindeutig zugeordnet werden, da der Name in Stendal seinerzeit urkundlich mehrfach vorkam und das Wappen auch in der Altmark sowie darüber hinaus verwendet wurde. Das Motiv befindet sich im Fenster nII (dem Nordostfenster im Chorschluss), auf Feld 3b (der dritten Motivzeile von unten, in der mittleren von drei Fensterbahnen) im 1460 bis 1469 verlängerten Chor der gotischen Pfarrkirche St. Jakobi in Stendal, die für ihre kulturell-künstlerisch wertvolle Ausstattung bekannt ist. Das dreibahnige Fenster hat 14 Zeilen im Mittellauf, 13 Zeilen in den beiden seitlichen Bahnen und einen einfachen Bogenschluss. Das Hauptmotiv des Fensters ist eine Kreuzigungsszene aus den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts, die kleinen drei Apostel in Zeile 1 sind wohl die ältesten Felder (späte 70er Jahre des 14. Jahrhunderts) und stammen aus dem Vorgängerbau. Das Stifterbild sowie Maria Magdalena und drei große Apostel werden in die 60er Jahre des 15. Jahrhunderts datiert.

Die Malerei und Glassubstanz des Stiftermotivs sind im Vergleich zu anderen in dem Fenster gut erhalten. Das mit Rankenornament damaszierte Blau leuchtet im Kontrast zur angedeuteten Architekturperspektive. Das helle Gewand ist mit einer schmalen Halsborte in Silbergelb ausgezeichnet. Die Zeichnung mit Rotlot von Kopf, Gewand und Architektur findet sich auf Innen- und Außenseite der Scheiben. Es ähnelt in der Substanz und Technik den Scheiben des Passionsfensters, dem Ostfenster im Chorschluss, die einem Meister Jacobus zugeschrieben werden, der damals Fenster für den neu errichteten Jakobi-Chor schuf. Für die ursprüngliche Zuordnung zum Ostfenster spricht auch die Markierung des Hahn-Stifterfelds mit einem Schrägkreuz, einem Werkzeichen wie auf den Scheiben von Fenster I.
Die Umsortierung verweist auf frühere Restaurierungen der Glasmalereien in der Jakobikirche, so die Sicherungsarbeiten des Glasermeisters Classe von 1844 bis 1847, der alle Glasmalereien im Chor versammelte, sowie durch Alexander Linnemann aus Frankfurt am Main von 1900 bis 1901, der die Szenen thematisch ordnete und ergänzte (Abbildung 2). Dabei wurden Restbestände von verschiedenen Szenen und Scheiben neu zusammengestellt. Alle Scheiben bleite man damals neu. Ob dabei die Scheibe mit der Aufschrift »miserere« aus Versehen entgegen der Leserichtung eingesetzt wurde?


Text: Luise Schier
Redaktion: Sabine Meinel, Uwe Steinecke
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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