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Denkmal des Monats

Juli 2021: Dom, Naumburg

Mit dem Bau des Ostchores wurde ab circa 1210 der weitgehende Neubau des Naumburger Domes eingeleitet. Hierzu gehörte neben der Errichtung des eigentlichen Chorraums auch der Bau des Querhauses, der Krypta und der östlichen Türme, in deren Erdgeschoss-ebenen zwei Nebenkapellen mit Apsiden angelegt wurden. Die
Stephanuskapelle im Südostturm öffnet sich dabei, anders als die anderen Turmkapellen des Domes, mit einer hohen Bogenstellung zum Südquerhaus und ist aus der Blickachse des südlichen Seitenschiffes heraus voll einsehbar. Im Zentrum dieser Perspektive bündelt sich der Blick des Betrachters in einem farbig verglasten Apsisfenster, dessen Licht dem seit 1877 als Taufkapelle genutzten Raumbereich eine besondere Atmosphäre verleiht (Abbildung 1).

Das farbenfrohe Bleiglasfenster ist eine interessante Neuschöpfung aus dem Jahre 1938. Dass das scheinbar konturlose Fenster schon aus der Ferne mittelalterlich anmutet, ist kein Zufall. Es stellt sich, bei näherem Herantreten als ein neu arrangiertes Mosaik originaler mittelalterlicher Glasfragmente dar, die, innerhalb umlaufender Randstreifen, organische Linienstrukturen mit drei darin umschlossenen Kreuzen abbilden. Neben gelben, grünen und weißen Versatzstücken dominieren im Zentrum vor allen rote und blaue Scherben. Im Detail sind sogar Reste von Grisaillemalerei, Wappendarstellungen, Blattwerk und Löwen zu erkennen. Eine Inschrift unten links verrät den Stifter des Fensters: »Gefügt aus Meißner altem Glas bin ich gewidmet Naumburgs Dom durch Tilo Freiherr von Wilmowsky Anno Domini 1938«

Tilo Freiherr von Wilmowsky (1878 bis 1966) war ehemaliger Landrat, Domherr und preußischer Politiker der Provinz Sachsen. Durch seine Ehe mit Barbara Krupp, mit der er auf Schloss Marienthal bei Eckartsberga lebte, war er zudem mit höchsten industriellen Kreisen verbunden. Er regte die Neugestaltung des Fensters mit den in seinem Besitz befindlichen Meißner Glasfragmenten als Ersatz für ein als missglückt empfundenes Fenster des 19. Jahrhunderts an. Künstlerisch verantwortlich für die Ausführung war der renommierte Münchner Kunst- und Glasmaler Josef Oberberger (1905 bis 1994). In den folgenden Jahren war Oberberger in Naumburg maßgeblich mit der Sicherung und Konservierung der mittelalterlichen Glasmalerei in den beiden Domchören beschäftigt (Abbildung 2).
Im Jahre 2012 wurden die zwei südlichen Fenster der Stephanus-kapelle durch den Glasmaler Thomas Kuzio neu gestaltet. In ihrer Kleinteiligkeit und Farbigkeit nehmen sie bewusst auf das raumbestimmende Oberberger-Fenster Bezug und vervollständigen seitdem die Lichtführung und die dadurch hervorgerufene Raumwirkung der Kapelle in eindrucksvoller Weise.


Text: Walter Bettauer
Redaktion: Sabine Meinel, Uwe Steinecke
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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