Zur Navigation (Enter) Zum Inhalt (Enter) Zum Footer (Enter)

Fund des Monats

Juli 2004: Eisenverhüttung im großen Stil am Nordrand des Harzes

Auf einer archäologischen Ausgrabung nördlich der Unesco Welterbestadt Quedlinburg am Nordrand des Harzes zeichnet sich eine komplexe Siedlungsfundstelle ab. Diese datiert in die spätere Römische Kaiserzeit (3. bis 4. Jahrhundert nach Christus). Von der Siedlung selbst sind die Grundrisse von so genannten Grubenhäusern erhalten. Deren Fußboden lag, eingetieft wie bei einer Grube, bis zu einem Meter unter der damaligen (und heutigen) Oberfläche. Es finden sich ebenfalls die Reste von ehemaligen Lager - und Abfallgruben. Die darin erhaltenen Keramik - und Knochenreste ermöglichen eine zeitliche Einordnung der Fundstelle.

Außergewöhnlich ist dabei der Fund eines Eisenverhüttungsplatzes mitten in der Siedlung. Die Reste von 26 Rennfeueröfen und Verarbeitungsgruben zur Eisengewinnung sind erstaunlich gut erhalten (Abbildungen 1 und 2). Die Eisenverarbeitung ist zu der damaligen Zeit zwar schon seit über 1000 Jahren bekannt, doch wird sie eher in kleinem Maßstab betrieben. Die bemerkenswert große Anzahl der Öfen nördlich von Quedlinburg weist auf eine professionelle Eisenverhüttung hin. Darüber hinaus sind die Rennfeueröfen dicht beieinander in zwei Ost-West verlaufenden Reihen gebaut und eher nacheinander als gleichzeitig betrieben. Eine vergleichbare Situation ist in Mitteldeutschland nicht bekannt, sondern erst wieder im westlichen Polen. Vermutlich ist diese »Industrialisierung« auf den Einfluss des Römischen Reiches zurückzuführen.

Die erstaunlich gut erhaltenen Rennfeueröfen lassen durch ihren Aufbau erkennen, wie die Verhüttung abgelaufen ist. Über einer runden Grube wird eine birnenförmige Lehmglocke errichtet, auf der ein senkrechter Schacht sitzt. Kleine Öffnungen im unteren Teil dienen zur Belüftung (Abbildung 3). Durch den oben offenen Schacht, den Schlund, werden Eisenerz und Holzkohle eingefüllt. Der entzündete Ofen erreicht durch die Wärme isolierende Lehmwand und gleichmäßiges Einblasen von Luft leicht Temperaturen um die 1300 Grad Celsius. Flüssige Schlacke, die Reste geschmolzener Erze bei der Verhüttung, bildet sich ab etwa 1200 Grad Celsius (Abbildung 4). Dann reagieren die Eisenoxide im Erz mit den entstehenden Gasen in einen metallischen Zustand. Diese so genannte Eisenluppe, oder auch Eisenschwamm, ist jedoch nicht flüssig, sondern bleibt in einem festen Zustand. Flüssiges Eisen entsteht erst bei 1530 Grad Celsius. Doch diese Temperaturen wurden bei den Quedlinburger Rennfeueröfen nicht erreicht sondern erst in der Neuzeit. Die Luppe ist noch mit Schlacke und Holzkohle durchsetzt, die ausgeschmiedet werden müssen. Dazu musste der Rennfeuerofen zerschlagen werden, weshalb sich im archäologischen Befund auch nur die untere Hälfte der Öfen unzerstört erhalten hat. Bei einigen ist sogar noch der Abdruck der Eisenluppe erhalten, was die Einmaligkeit der Quedlinburger Rennfeueröfen ausmacht (Abbildung 5).

Grundsätzlich konnten in Rennfeueröfen nur zehn bis 15 Prozent des im Erz enthaltenen Eisen gewonnen werden. Die Ausbeute ist abhängig von der Zusammensetzung der Erze. Beim Ausschmieden der Eisenluppe, die noch mit Schlacke- und Holzkohleresten durchsetzt war, reduzierte sich die Ausbeute nochmals um die Hälfte bis zu zwei Dritteln. Die Eisenluppen bei den größeren der gefundenen Öfen dürften bis zu 30 Kilogramm schwer gewesen sein (Abbildung 4). Nur etwa 10 bis 15 Kilogramm reines Eisen ließen sich so aus einem Brennvorgang gewinnen (Abbildung 6). Dafür sind über 200 kg Eisenerz notwendig gewesen. Vorsichtig geschätzt könnten mit den Quedlinburger Rennfeueröfen 160 kg reines Eisen produziert worden sein. Dafür wären fast 3,5 Tonnen Eisenerz nötig gewesen.

Interessant ist die Frage, woher die Rohstoffe der Siedlung stammen. Der Harz mit seinen Erzvorkommen ist zehn Kilometer entfernt. In unmittelbarer Nähe sind jedoch auch Vorkommen von Raseneisenerz bekannt, das in nassen Böden durch Ansammlung von gelösten Eisenoxiden entsteht. Ebenso kommt Eisenmangan in größeren Mengen auf den umliegenden Sandsteinhügeln vor. Genauere Untersuchungen werden das Rätsel lösen, sobald erste Proben der Schlacke und möglichen Erze auf ihre Zusammensetzungen hin analysiert worden sind.

Das Eisen ist sicherlich nicht nur für die eigene Siedlung produziert worden. Die ganze Anlage deutet darauf hin, dass sie von erfahrenen Fachleuten kontinuierlich betrieben wurde. Auch geht die Menge des Eisens über das hinaus, was in kurzer Zeit in einer einzelnen Siedlung benötigt wird. Somit ist anzunehmen, dass auch andere kaiserzeitliche Siedlungen des 3. oder 4. Jahrhunderts im nördlichen Harzgebiet beliefert wurden.

Die Ausgrabungen im Vorfeld des Neubaus der Bundesstraße 6n haben damit weitere einmalige Zeugnisse der Vorgeschichte des Nordharzes erbracht. Die Bedeutung dieser Funde geht jedoch weit über die Region hinaus. Diese Situation wird seit dem Jahr 2000 durch die vorbildliche Zusammenarbeit des Straßenbauamtes Halberstadt und dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt ermöglicht.


Text: Christoph Steinmann
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

Zum Seitenanfang