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Fund des Monats

Dezember 2007: Alle Jahre wieder

Ein Christuskind aus Weißenfels

In Weißenfels wurde von einer aufmerksamen Gartenbesitzerin beim Laubharken ein kleines Objekt gefunden, das sie als Kuriosität zunächst einige Jahre lang aufbewahrte und vor kurzem dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt übergab.

Die rottonige Skulptur hat eine Länge von nur 2,6 Zentimeter und gehört damit zu den kleinsten jemals gefundenen Figürchen seiner Art (Abbildung 1). Es zeigt einen nackten Knaben mit eng an den Körper angelegten Armen, die Füße fehlen. Die Gesichtszüge sind fein ausgearbeitet. An Kopf, Armen und Beinen befinden sich Reste von roter Glasur. Der Kopf ist bei der Bergung abgebrochen.

»Moment mal« – wird der aufmerksame Fund des Monats-Leser fragen – »Ihr hattet doch schon mal so ein Figürchen, ein »Bornkindl« im Fund des Monats? Das war doch…«– genau, im Februar 2004. Auch dieses Figürchen stellt einen weiteren Fund der Gattung der sogenannten »Pfeifentonfiguren« dar – obwohl er streng genommen gar nicht aus Pfeifenton gefertigt wurde. Tonpfeifen kommen ja erst Ende des 16. Jahrhunderts in Gebrauch. Solche nackten Knaben in zweiteiliger Modelform wurden hauptsächlich im 15. und 16. Jahrhundert gefertigt.

Obwohl damals Massenprodukte, liegt diese Fundgruppe aus Sachsen-Anhalt bislang kaum vor – was vermutlich aber nicht ein Problem der Verbreitung sein dürfte, sondern eher eines der Forschungslage in dieser Region.
Solche Püppchen wurden von so genannten »Bilderbäckern« oder »Bilddruckern« im großen Stil hergestellt. Man benutzte zweiteilige Model, die sorgfältig mit Ton ausfüllt wurden (Abbildungen 2 und 3). Vor dem Zusammendrücken fügte man noch ein kleines Holzstäbchen oder eine Nadel ein. Unser Püppchen weist ein entsprechendes konisches Loch am Kopf auf. Waren die Formen zusammengepresst und der Ton getrocknet, ließ sich das Figürchen mithilfe des überstehenden Stäbchen leicht aus den Formen lösen und eventuell weiterbearbeiten, meist wurden die Grate, die beim »Druckprozess« entstanden, nur wenig gestutzt. Nach dem Trocknen konnten die Figuren gebrannt werden.

Interessant ist auch die Farbgebung. Im Normalfall stellte man diese Pfeifentonfiguren aus – genau - Pfeifenton her, einem Oberbegriff für feine weiß brennende, seltener rötlich oder beige brennende Tone. Die Figuren blieben im Normalfall unbemalt. Ab und an wurde die weiße Farbe noch zusätzlich mit einer hellen Glasur überzogen (offenbar wollte man damit die beliebten (gleich teureren) rheinischen Figuren imitieren.
Was unser Figürchen besonders macht, ist der verwendete Grundstoff: offenbar handelt es sich um einen feinen Ton mit hohem Eisenoxid-Anteil, der für die starke Rotfärbung verantwortlich ist, die fast der römischen Terra Sigillata nahe kommt. Vergleichbare Stücke liegen bislang noch nicht vor. Möglicherweise wollte man hier die teuren Figuren aus Karneol imitieren.

Warum ist die Figur so klein? Im Vergleich zu anderen Funden von Christusfigürchen, zum Beispiel aus Augsburg, wo ein Fundkomplex von 1500 Figuren in unterschiedlichster Ausprägung zutage trat, lässt sich feststellen, dass offenbar von den Figuren selbst immer wieder neue Formen abgenommen wurden, sodass die Fabrikate aufgrund der Schwindung des Tones mit jeder neuen Kopie »schrumpften«. Da diese Möglichkeit natürlich weniger aufwendig war als komplett neue Formen mühsam von Hand anzufertigen oder zu kaufen, ist es auch kein Wunder, dass dieses Verfahren häufig angewendet wurde und daher die gleichen Typen in großer Verbreitung im Umlauf waren. Ja, offenbar wurden sogar »Raubkopien« durch konkurrierende Bilderbäcker hergestellt.
Die Formgebung einer Figur etwa, die bei Grabungen im Luthergeburtshaus in Eisleben zutage trat, zeigt starke Ähnlichkeit mit den in Augsburg gefundenen Exemplaren (Abbildungen 4 und 5).

Meist werden solche Figürchen entweder als Kinderspielzeug oder als Devotionsfigürchen respektive als Christkind gedeutet. Bei seiner geringen Größe spricht bei unserem Exemplar vieles für die letztere Deutung: Laut zeitgenössischen Quellen wurden solche Figuren gerne zum Neujahrstag verschenkt und zuhause aufgestellt. In Frauenklöstern (und später auch in Privathäusern) gab es die Sitte des »Christkindwiegens«. Dabei dienten solche Figuren als Kristallisationspunkte zur inneren Andacht oder für geistliche Spiele. Zu den Wiegen und Christuskindern gesellten sich häufig noch die Figuren der knienden Muttergottes oder kleiner Engelchen: Die heute noch unter vielen Weihnachtsbäumen stehenden Krippenfiguren haben unter anderem darin ihren Ursprung.

Das Team des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt wünscht Ihnen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!


Text: Mirko Gutjahr
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

 

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