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Fund des Monats

Mai 2008: Eisen für den König

Eine frühmittelalterliche Ofendüse aus dem Harz

Im Spätsommer des vergangenen Jahres konnte am Kalksteintagebau Elbingerode im Mittelharz ein früher Eisenverhüttungsplatz archäologisch untersucht werden. Am letzten Tag der mit ehrenamtlichen Beauftragten durchgeführten Grabung wurde ein außergewöhnlicher Fund aufgedeckt: die Düse eines frühmittelalterlichen Rennofens (Abbildung 1). Die durch Witterungseinflüsse im Laufe der Jahrhunderte in viele Stücke zersprungene Ofendüse aus Keramik musste in einem Block mit dem umgebenden Erdmaterial geborgen werden. Erst nach der Restaurierung in der Werkstatt wurde ein circa 20 Zentimeter langer durchbohrter Formziegel mit unregelmäßig quadratischem Querschnitt erkennbar. An dem ursprünglich in den Ofen hineinragendem Ende ist die Düse stark verschmolzen und mit einer Schlackeschicht überzogen. Am anderen, nicht mehr vollständig erhaltenem Ende lässt sich innen ein dunkeler Abdruck erkennen, der vermutlich von einem Verbindungsstück stammt, durch das die Düsenöffnung mit einem Blasebalg verbunden war. In der Mitte haften noch Reste der Lehmwand des Ofens am Düsenziegel. Auch die Ofenwandung ist an der Innenseite deutlich aufgeschmolzen und verschlackt.

Die Düsenbruchstücke fanden sich unter dem Versturz eines frühmittelalterlichen Verhüttungsofens. An dem Standort des Ofens konnten neben mehreren Zentnern Schlacke und Ofenteilen auch Reste der verhütteten Erze geborgen werden. Anhand des Fundmaterials lässt sich der hier durchgeführte Verhüttungsprozess weitgehend rekonstruieren. Es handelt sich um Eisengewinnung im Rennfeuerverfahren mit Schlackeabstich (Abbildung 2). In einem Schachtofen mit Lehmwand wurde sorgfältig zerkleinertes Eisenerz mit Holzkohle als Brennmaterial verhüttet. Um die für den Prozess notwendigen Temperaturen zu erreichen, musste Sauerstoff mit einem Blasebalg durch eine Düse in den Ofen geblasen werden.

Bei Temperaturen von bis zu 1400 Grad Celsius im unteren Bereiche des Schachtofens wurden die Begleitmineralien im Erz geschmolzen und rannen als Schlacke aus dem Ofen – daher auch die Bezeichnung Rennfeuerverfahren. Das Eisen selbst, mit einem Schmelzpunkt von circa 1540 Grad Celsius, wurde nicht flüssig und blieb in Form eines noch stark verunreinigten Eisenschwammes im Ofen zurück. Erst durch mehrfaches Ausschmieden des auch als Luppe bezeichneten Schwammes erhielt man verwertbares Eisen. Um an die Eisenluppe zu gelangen, war es notwendig den Ofen aufzubrechen. Den Ofenstandort markierte daher nur noch eine Konzentration von verziegelten und verschlackten Ofenwandungsstücken (Abbildung 3). Lediglich die aus dem Ofen hangabwärts geflossene Schlacke befand sich noch in ihrer Originalposition. Da die Rennfeueröfen nur einmal genutzt werden konnten, finden sich meist mehrere Ofenstandorte nebeneinander. So auch auf der flachen Hügelkuppe des Untersuchungsareals. Geomagnetische Messungen lassen hier auf mindestens vier weitere Ofenplätze schließen (Abbildung 4).

Verhüttet wurde an dem untersuchten Ofenstandort Roteisenstein aus den bedeutenden devonischen Lagerstätten des Elbingeröder Komplexes (Abbildung 5). Das Erz muss aus mehreren Kilometern Entfernung antransportiert worden sein. Um einen optimalen Prozessablauf zu erreichen, wurde dem Roteisenstein in unmittelbarer Umgebung des Ofenstandortes abgebauter Brauneisenstein (Abbildung 6) und wahrscheinlich auch Manganerz zugesetzt. Hierauf weisen von Frau Dr. C. Kriete an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover durchgeführte Analysen, deren Auswertung allerdings noch nicht abgeschlossen ist. Es lässt sich jedoch bereits jetzt die Verwendung einer ausgereiften Verhüttungstechnik erkennen, durch die ein hochwertiges, auf die Bedürfnisse der frühmittelalterlichen Schmiede abgestimmtes Eisen gewonnen wurde.

Kleinere Herd- oder Ofenanlagen, die in der Umgebung des ergrabenen Verhüttungsstandorts freigelegt wurden, dienten wahrscheinlich zum Teil dem Ausheizen der in den Rennfeueröfen gewonnenen Eisenluppen. Darauf deutet unter anderem ein Ambossstein, der in einer Arbeitsgrube neben einer der Herdstellen dokumentiert werden konnte. Bis zu 40-mal musste der Prozess des Ausheizens und anschließenden Schmiedens der Luppe wiederholt werden, um alle Schlackereste zu entfernt und das Material zu verdichten. Archäomagnetische Messungen an den verziegelten Böden der Feuerstellen durch Frau Dr. E. Schnepp vom Paläomagnetiklabor der Universität Leoben sollen nun klären, ob die Anlagen zeitgleich mit dem untersuchten Rennfeuerofen sind (Abbildung 7).

Eine erste Radiocarbon-Analyse an Holzkohleresten aus dem Versturz des Rennfeuerofens erbrachte eine Datierung in karolingische Zeit (8./9. Jahrhundert). Damit handelt es sich um den ältesten bisher bekannten Eisenverhüttungsplatz im Mittelharz. Für die anschließende ottonische Epoche (10./11. Jahrhundert) lässt sich in diesem Gebiet dann eine umfangreiche Eisengewinnung unter königlicher Kontrolle nachweisen (Behrens 1992; Alper 2008). Die schier unerschöpflichen Erzvorkommen des Elbingeröder Komplexes bildeten in Verbindung mit den als Energielieferant für die Verhüttung dienten Holzvorkommen des Gebirges einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Da die Wälder gleichzeitig ein hervorragendes Jagdrevier darstellten, verwundert es nicht, dass sich die deutschen Könige und Kaiser im 10./11. Jahrhundert regelmäßig die auf der Elbingeröder Hochebene gelegenen Pfalz Bodfeld aufsuchten.
Das Fundmaterial des Eisengewinnungsplatzes am Kalksteintagebau Elbingerode trägt dazu bei, die Entwicklung des Harzes zu einer Kernlandschaft des Königtums in ottonischer Zeit weiter zu erhellen. Funde vom Harzrand – so auch aus beim Bau der Bundesstraße 6n in den letzten Jahren untersuchten Befunden – zeigen allerdings, dass die Nutzung der Erze des Harzes schon eine viel längere Tradition besitzt und nördlich des Harzes Eisenerze aus den Elbingeröder Lagestätten bereits in der römischen Kaiserzeit in größerem Umfang im Rennfeuerverfahren verhüttet wurden (Behrens 1992; Schürger 2005).


Text: Götz Alper
Online-Redaktion: Norma Literski, Anja Lochner-Rechta

 

Literatur

Abbau und Verhüttung von Eisenerzen im Vorland der mittleren Schwäbischen Alb. Mit Beiträgen von Th. Engel, M. Franz, A. Hauptmann usw. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 86 (Stuttgart 2003).

G. Alper, The Eastern Harz-Mountains during the Middle Ages – the Impact of Mining and Metal Production. Erscheint in: Landscapes – Cultural Heritage in Europe. Konferenz im Deutschen Bergbau-Museum Bochum 2007 (Bochum 2008).

A. H. Behrens, Archäologische Notausgrabungen auf Hütten- und Bergbaustandorten des Mittelharzes, in: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 12, 1992, 148–150.

R. Pleiner, Iron in Archaeology. The European Bloomery Smelters (Praha 2000).

A. Schürger, Eisenverhüttung von der frühen Eisenzeit bis zum Spätmittelalter, in: Harald Meller (Hrsg.), Quer-Schnitt. Ausgrabungen an der B6N 1: Benzingerode – Heimburg, Halle (Saale) 2005, 159–164.

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