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Fund des Monats

März 2009: Archäologische Untersuchungen bei der Erneuerung der B 71 im Bereich der Ortsdurchfahrt Mahlsdorf, Altmarkkreis Salzwedel

Im Spätsommer und Herbst 2008 wurde in Mahlsdorf bei Salzwedel begonnen die Fahrbahn der stark befahrenen B 71 im Ortsbereich zu erneuern. Da diese Baumaßnahme tief in die archäologisch relevanten Schichten des Dorfes eingreift, wurde eine baubegleitende Untersuchung durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt vereinbart.

Der Ort Mahlsdorf wird 1279 erstmals in schriftlichen Quellen erwähnt, er ist geprägt durch seine prachtvolle romanische Feldsteinkirche, die bauhistorisch in das frühe 13. Jahrhundert datiert werden kann. Es ist die größte Kirche in der näheren Umgebung, was auf eine besondere Bedeutung des Ortes im Hochmittelalter hindeuten könnte. Archäologische Funde und Befunde aus der mittelalterlichen Ortsgeschichte wurden also erwartet und sollten bei den Bauarbeiten geborgen und dokumentiert werden (Abbildung 1). Da die Straße unmittelbar am Kirchhof vorbeiführt, war es keine Überraschung, dass alsbald Bestattungen auftraten, die meist schon stark von modernen Leitungsgräben gestört waren (Abbildung 2).

Eine echte Überraschung war es, als neben den mittelalterlichen Funden und Befunden immer wieder auch vorgeschichtliche Gruben auftraten (Abbildung 3). Offenbar war die Ortslage von Mahlsdorf schon vor dem Mittelalter besiedelt gewesen. Anhand des Fundmateriales aus den Gruben lassen sich zwei Siedlungsphasen rekonstruieren. Am südlichen Ortsausgang konnte eine Siedlung der römischen Kaiserzeit dokumentiert werden, während östlich und nördlich der Kirche zahlreiche Gruben mit typischer Keramik der vorrömischen Eisenzeit eine Siedlung dieser Zeitstellung belegen.
So wurde aus der als baubegleitenden, mittelalterarchäologischen Untersuchung geplanten Maßnahme, eine vorgeschichtliche Siedlungsgrabung. In aller Eile, um die parallel weiterlaufenden Baumaßnahmen nicht zu verzögern, wurde Grube für Grube dokumentiert und ausgegraben. Das Fundmaterial war zumeist recht eintönig: Überreste von großen, gerauhten Vorratstöpfen, gelegentlich mit Fingertupfen auf dem Rand und ab und an Reste von kleineren, etwas feineren Gefäßen. In einer der letzten ergrabenen Gruben, trat dann plötzlich zur Freude der Ausgräber ein ungewöhnlicher Gegenstand zutage (Abbildung 4).

Es handelt sich um einen komplett erhaltenen »Löffel« aus Keramik (Abbildungen 5 und 6). Das Stück hat eine kurze, grob rechteckige Handhabe, die an der Längsseite der ovalen Löffelschale befestigt ist. Diese Löffelschale besteht aus einer kräftigen, bis circa acht Millimeter starken, ovalen Platte von circa 85 mal 65 Millimeter, die an den Rändern etwa fünf Millimeter hochgezogen ist. So ergibt sich eine flache, aber recht große Löffelschale. An einer Schmalseite ist der sonst völlig intakte Gegenstand deutlich beschädigt oder abgenutzt – es ist genau die Stelle, an der ein Rechtshänder das Stück zum Mund führen würde! Möglicherweise liegt also eine alte Beschädigung vor, eventuell ist das auch der Grund, warum der Löffel in der Grube entsorgt wurde.

Die Datierung des Gegenstandes muss in erster Linie durch die sonstige Keramik aus der betreffenden Grube erfolgen. Diese ist aufgrund des Fingertupfendekors auf einer Randscherbe, der gerauhten Wandung der Vorratsgefäße und auch des S-förmigen Profils der feineren Fragmente von tassenartigen Gefäßen in die vorrömische Eisenzeit zu datieren. Damit muss auch der Löffel in dieser Zeit (circa 500 vor Christus. bis Zeitenwende) hergestellt und verwendet worden sein.

Löffel aus Keramik sind auf Fundplätzen der vorrömischen Eisenzeit und insbesondere der römischen Kaiserzeit in der Altmark keine Seltenheit, meist werden aber nur Bruchstücke gefunden (freundlicher Hinweis Frau Dr. Leineweber). Das vorliegende Stück ist also eines der wenigen kompletten Exemplare aus der Region. Es ist aber auch relativ grob, schwer und definitiv zu groß um den Löffel in den Mund zu führen, wie wir es mit heutigen Suppenlöffeln gemeinhin tun. Vielmehr dürfte der Löffel aus Mahlsdorf eher dafür geeignet gewesen sein, ein flüssiges Nahungsmittel aus einem größeren Gefäß zu schöpfen, um den Inhalt dann von einer Schmalseite her zu schlürfen. Neben dem Verzehr von Speisen wie Suppe, Grütze oder Eintopf, muss als Nutzungsbereich derartiger Löffel auch der Konsum von Getränken in Betracht gezogen werden. Vielleicht nicht mit unseren heutigen Begriffen von Tischmanieren vereinbar, aber sicherlich recht effektiv. Leider können wir nur raten, welche »Köstlichkeiten« in der eisenzeitlichen Siedlung vertilgt wurden, denn Nachweise von organischen Resten der Speisen und Getränke der Vorzeit sind insbesondere im sandigen Boden der Altmark nur schwer zu führen. Ebenso bleibt uns verborgen, wer genau hier in der Eisenzeit »den Löffel abgegeben« hat.

Durch die baubegleitenden archäologischen Untersuchungen können wir jedoch einen gewissen Einblick in das Leben und Sterben der Menschen im mittelalterlichen Mahlsdorf und auch ihrer Vorgänger in der bisher unbekannten eisenzeitlichen Siedlung erhalten.


Text: Volker Demuth
Online-Redaktion: Norma Literski, Anja Lochner-Rechta

 

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