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Fund des Monats

Februar 2010: Hölzerne Wasserleitungen in Arneburg (Landkreis Stendal)

Die knapp 1800 Einwohner zählende Stadt Arneburg liegt am linken Elbufer etwa 20 bis 25 Meter über dem Fluss am Ostrand der gleichnamigen Hochfläche. Der markanteste Punkt ist die bereits im Jahr 978 erwähnte Burg, deren Bedeutung bis in die Zeit des 30jährigen Krieges reichte. Die der Burg zu Füßen liegende Siedlung wird 1338 erstmalig als »civitas« bezeichnet.
Von Mitte Mai bis Ende September 2009 wurden in der Breiten Straße neue Regenwasser-, Abwasser- und Trinkwasserleitungen verlegt. Zu den während der baubegleitenden archäologischen Untersuchungen aufgedeckten Befunden gehört auch ein Anzahl hölzerner Wasserleitungen. Im westlichen Teil der Breiten Straße, das heißt auf dem Markt, kamen die Überreste mehrerer Deichelleitungen (Holzrohrleitungen) zutage. Es handelt sich um zwei annähernd Ost−West-verlaufende, eine Südost−Nordwest-verlaufende sowie fünf etwa Nord−Süd-verlaufende Leitungen (Abbildung 1). Drei der Nord−Süd-orientierten und eine Ost−West-gerichtete Leitung zielen in ihrem Verlauf auf einen nördlich vor dem Haus Breite Str. 61 gelegenen Bereich (Abbildung 2). Hier befand sich ein aus Backsteinen gemauertes Verteiler- und Absetzbecken, das diese Stränge mit Wasser versorgte (Abbildung 3). Ein Hinweis auf das Alter dieser Leitungen findet sich am Verteilerbecken. Durch seinen oberen Bereich läuft ein gusseisernes Rohr, das zu dem 1908 zusammen mit dem Bau des Wasserwerks verlegten modernen Trinkwassernetz gehört. Im Zuge dieser Arbeiten wurde das den Leitungsverlauf störende Mauerwerk herausgebrochen und anschließend unter Verwendung von Zementmörtel − er hebt sich durch seine helle Farbe deutlich vom älteren Kalkmörtel ab − wieder geschlossen, so dass das Eisenrohr völlig eingemauert ist. Dabei kappte man auch die direkt auf das Zementmauerwerk zuführende Deichelröhre. Diesem Befund nach zu urteilen erfolgte die Wasserversorgung bis 1908 mittels Deichelleitungen. Es gab allerdings auch, wie zeitgenössischen Pressemeldungen aus Arneburg zu entnehmen ist, Ton- und Zementrohre.

Zwei verschiedene Arten von Holzrohren konnten durch die Ausgrabungen festgestellt werden. Bei der ersten Variante wurde der Holzstamm in seiner gesamten Länge mittig durchbohrt. Die Verbindung der einzelnen Teilstücke erfolgte durch aus dem ganzen Stammdurchmesser herausgearbeitete Muffen von 1 bis 1,5 Zentimeter Stärke und mindestens um 6,5 Zentimeter Länge (Abbildung 4) oder auch durch Eisenmuffen. Bei der zweiten Variante wurde aus dem vollen Stamm etwa ein Drittel keilförmig herausgearbeitet, anschließend der Kern entfernt. Die entstandene Hohlform deckte man mit einem Brett ab (Abbildung 5). Auf dem Übersichtsplan (Abbildung 1) ist die erste Variante rot, die zweite gelb markiert. Ganz offensichtlich handelt es sich um zwei einander ablösende Leitungssysteme, wobei die mit Brettern abgedeckten Rohre der älteren Zeitschicht angehören (das westliche von Norden her auf den Verteilerbereich ziehende Rohr wurde wohl beim Anlegen der beiden anderen Leitungen kurz vor dem Verteilerbecken gekappt).
Soweit dies festzustellen war, waren die Deichelrohre mit Lehm ummantelt, sehr stark in der unteren Hälfte (dort wurden sie in eine den Kanal ausfüllende Lehmschicht gebettet), wenig in der oberen Hälfte, wo die Lehmstärke drei bis fünf Zentimeter betrug (Abbildung 6).
Auch eine Reparatur konnte nachgewiesen werden (Abbildung 7). Ein Deichelrohr war an seinem Südende schräg abgetrennt und besaß nur noch eine Länge von 45 Zentimeter. In dieser Südseite steckte ein Rohr von acht Zentimeter Außendurchmesser, das in einem direkt südlich anschließenden quaderförmigen Betonteil (Querschnitt 18,5 mal 18,5 Zentimeter) von mindestens 62 Zentimeter Länge saß.

Bemerkenswert ist hier auch die formschlüssige Verbindung zwischen dem gekürzten und dem nördlich anschließenden Holzrohr. Diese allein gewährte den Zusammenhalt, eine eiserne oder aus dem Holz gearbeitete Muffe war nicht vorhanden.
Der Erhaltungszustand der Holzleitungen ist sehr unterschiedlich; teilweise war das Holz hervorragend erhalten, teilweise war es nur noch eine zerbröselte und matschige Masse.
Bemerkenswert sind die Ergebnisse der Holzartenbestimmung. Die längsdurchbohrten Rohre bestehen ausschließlich aus Kiefernstämmen, von den mit Brettern abgedeckten Leitungen besteht der westliche auf den Verteiler zulaufende Strang aus Kiefernholz, während der Ost−West-verlaufende Strang vollständig aus Erlenholz gefertigt wurde.
Dendrochronologische Daten liegen allein von den längsdurchbohrten Kiefernstämmen vor. Da der Außenbereich der Röhren oft mehr oder weniger angegriffen ist, gibt es lediglich zwei auf die Waldkante bezogene Fälldaten (1830 und 1847) sowie ein Fälldatum 1839 (+/-Waldkante). Das bis zum Jahr 1908 genutzte Wasserversorgungssystem, zu dem die beschriebenen Holzrohrleitungen gehörten, wurde demnach kurz vor der Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt. Ob alle diese Leitungen gleichzeitig oder gestaffelt über einen bestimmten Zeitraum verlegt wurden, ist nicht zu entscheiden.


Text: Volkhard Hirsekorn
Online-Redaktion: Tomoko Emmerling, Anja Lochner-Rechta

 

 

Literatur

M. Gechter, Wasserversorgung und Entsorgung in Köln vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. KölnJb 20, 1987, 219−270.

M. Grabowski/D. Mührenberg, In Lübeck fließt Wasser in Röhren … seit 700 Jahren (Lübeck 1994).

H. Schäfer, Aquevectores, putei, aqueductus− Wasserfuhrleute, Brunnenschächte und Wasserleitungen. In: H. Jöns/F. Lüth/H. Schäfer (Hrsg.), Archäologie unter dem Straßenpflaster. 15 Jahre Stadtkernarchäologie in Mecklenburg-Vorpommern. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns 39 (Schwerin 2005) 249−252.

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