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Fund des Monats

November 2017: Hirschgeweih

Ein gefragter Rohstoff

Ausgrabungen am spätbronzezeitlichen (1.300 bis 750 vor Christus) Siedlungsplatz Meilendorf-Repau, Stadt Südliches Anhalt (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) wurden im Herbst 2014 notwendig. Im Vorfeld einer neu zu errichtenden, fast 50 Kilometer langen Versorgungsleitung (Katharina-JAGAL) wurden 58 Fundstellen untersucht (Abbildung 1). Einige waren bereits seit längerer Zeit bekannt, andere wurden erstmals im Zuge erster archäologischer Untersuchungen im Frühjahr 2013 aufgedeckt. Bereits 2015 wurden am Fundplatz Meilendorf-Repau weitere Arbeiten notwendig – hier sollte schon bald der nächste Abschnitt der neuen Bundesstraße B 6n (jetzt B 6) entstehen, die vom Harz im Westen bis an die Bundesautobahn A 9 im Osten führt. Ein weiteres Jahr später erforderte die Umverlegung einer bestehenden Gasleitung (FGL 203, betrieben durch die Fa. ONTRAS Gastransport GmbH) nochmals Bodeneingriffe, die gleichfalls archäologisch begleitet wurden.

Insgesamt wurden mehr als drei Hektar des Fundplatzes Meilendorf-Repau untersucht. Auf der Fläche zeichneten sich weit über 3.000 Befunde ab. Es handelt sich um eine Siedlung der frühjungsteinzeitlichen Linienbandkeramikkultur (5.500 bis 4.800 vor Christus) mit starker Überprägung durch die spätbronzezeitliche Saalemündungsgruppe. Erfasst wurden insbesondere Hausgrundrisse, welche sich durch Pfostengruben abzeichnen, und Siedlungsgruben. Dabei fanden sich in einigen Abfallgruben der metallzeitlichen Besiedlungsphase verschiedene, vom Rothirsch stammende Geweihfragmente mit Bearbeitungsspuren (Abbildung 2).
Spuren von Beilschlägen sind auf einer Geweihstange (Abbildung 3) zwischen der Rose und dem Schädel am Rosenstock zu sehen. Bei diesem Geweih wurde außerdem die Augensprosse mit mindestens sieben Hieben eingeschlagen und nach unten Richtung Stirnbein weggebrochen. Ein Stirnbeinfragment mit rechter Geweihstange weist ebenfalls deutliche Schlagspuren auf (Abbildung 4), offenbar sollte die Geweihstange vom Schädel getrennt werden. Als Arbeitsgerät kommt hierfür ein Meißel oder ein kleines Beil in Frage. Über der Rose sind an allen Sprossen – und besonders in Höhe der Eissprosse – kräftige Beil- oder Axthiebspuren zu erkennen. Wahrscheinlich sollte hieraus ein Gerät hergestellt werden, vielleicht ein Geweihbeil oder ein Geweihhammer, wie er aus der gleichen Grube bekannt ist.

Besagter Geweihhammer (Abbildung 5) zeigt deutliche Abnutzungsspuren am Nacken. Der Bereich des Schaftloches ist ein wenig ausgebrochen und wirkt überschliffen. Das durchlochte Gerät stammt von der Abwurfstange eines Rothirsches. Vergleichbare Geweihäxte wurden in Neuhaldensleben-- »Kibitzberg« (Stoffner 2012, 105) sowie sogar in verzierter Form in Haldensleben-Beberdüker (Schrickel 2012, 101) gefunden. Die Geweihaxt datiert durch die Keramikfunde in der Grube in die Spätbronzezeit – und ist der Saalemündungsgruppe zuzuschreiben (Abbildung 6).

Geweihe vom Rothirsch waren nicht nur in ur- und frühgeschichtlichen Zeiten stets verfügbar, sie sind es nach wie vor. Als Rohstoff zur Herstellung verschiedener Geräte und Schmuck ist Geweih bis heute begehrt. Der Rothirsch ist seit dem Rückgang der letzten Vereisung auch in Mitteleuropa wieder weit verbreitet. Für das nördlich angrenzende Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist anhand subfossiler Funde vom späten Präboreal (9.200 bis 8.690 vor Christus) bis zum Mittelalter seine nahezu flächendeckende Verbreitung belegt (Benecke 2000). Dies gilt auch für Sachsen-Anhalt, wie Skelettreste vom Rothirsch aus linienbandkeramischen bis mittelalterlichen Fundzusammenhängen zeigen. Ursprünglich nicht unbedingt an Wald gebunden, bewohnte er anfangs auch offene Lebensräume der vom Menschen kaum in Anspruch genommenen Naturlandschaft. Erst mit der zunehmenden Siedlungstätigkeit des Menschen wurde er mehr und mehr in den Wald zurückgedrängt, zumal er regelmäßig bejagt wurde. 


Text: Thomas Lukas, Hans-Jürgen Döhle
Online-Redaktion: Georg Schafferer, Anja Lochner-Rechta

 

       

Literatur

N. Benecke, Die jungpleistozäne und holozäne Tierwelt Mecklenburg-Vorpommerns. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 23 (Weissbach 2000).

S. Stoffner, Geweihäxte der Siedlung am „Kibitzberg“. In: S. Friederich u. a. (Hrsg.), Haldensleben – VOR seiner ZEIT. Archäologische Ausgrabungen 2008–2012. Archäologie in Sachsen-Anhalt, Sonderband 17 (Halle [Saale] 2012) 105–106.

M. Schrickel, Waffe oder Statussymbol? Verzierte Geweihäxte. In: S. Friederich u. a. (Hrsg.), Haldensleben – VOR seiner ZEIT. Archäologische Ausgrabungen 2008–2012. Archäologie in Sachsen-Anhalt, Sonderband 17 (Halle [Saale] 2012) 101–104.

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