Zur Navigation (Enter) Zum Inhalt (Enter) Zum Footer (Enter)

Fund des Monats

April 2021: Hasen in aller Munde

Wie jedes Jahr feiern wir in diesem Monat das Osterfest, das in unseren Breiten auf den Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond fällt. Ostern ist das höchste Fest der Christenheit und steht für die Auferstehung Christi nach seinem Tod am Kreuz. Viele verbinden mit diesem Tag aber nicht zuletzt das alljährliche Sammeln und Verzehren von Schokoladeneiern und eben Osterhasen. Beide – Eier und Hasen – sind im Volksglauben althergebrachte Symbole der Fruchtbarkeit. Diese ist dem Feldhasen – so die exakte Bezeichnung – tatsächlich im Übermaß gegeben, wirft doch die Häsin alljährlich drei bis vier Mal bis zu fünf Junge. Eine solch überbordende und in der Feldflur häufig öffentlich zur Schau gestellte Sexualität – das sogenannte «Rammeln» – war Papst Zacharias in so hohem Maße suspekt, dass er im Jahr 751 der Christenheit den Verzehr von Hasenfleisch kurzerhand untersagte. Dabei verband man in der christlichen Ikonographie mit dem Hasen durchaus auch positive Aspekte, so in Zusammenhang mit dem Motiv der Auferstehung (Abbildung 1). Tatsächlich wird der Hase aber bereits in der vorchristlichen Glaubenswelt eine Rolle gespielt haben; sicher bezeugt ist dies für die Griechen – hier ist er der Liebesgöttin Aphrodite zugeordnet – und die Römer (Abbildung 2). Letztere sollen das Fleisch des Hasen sogar als Aphrodisiakum genossen haben.

Der eierlegende (sic!) Osterhase wird erstmals 1682 in der Dissertation des Frankfurter Arztes Johannes Richier »De ovis paschalibus – von Oster-Eyern« erwähnt. Dieser Schrift zufolge lege der Hase selbst die Eier und dass er sie für Kinder und Erwachsene verstecke, sei hingegen »eine Fabel, die man Einfältigen und Kindern aufbindet«.

Rätsel gibt das Reichspatent Nr. 457321 von 1907 auf. Hierbei soll es sich um die Erfindung eines hasenartigen Stoffüberzuges handeln, den man Haushühnern beim Eierlegen überstülpen sollte, um Kinder endgültig von der Existenz des Osterhasen zu überzeugen. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Patent um eine Ente. Immerhin erscheint seine Umsetzung durchaus nicht ohne Reiz.

Feldhasen gehören – ganz im Gegensatz zu den Kaninchen (»Stallhasen«) – zur mitteleuropäischen Fauna. Sie sind Einzelgänger und bevorzugen warme, eher offene Landschaften und damit eine Umgebung, wie sie auch in unserem niederschlagarmen Gebiet mit seinen eher lichten Wäldern reichlich vorhanden war. Wie eine aktuelle Erfassung der bisher nachgewiesenen Tierarten der Jungsteinzeit in Mitteldeutschland zeigt, sind archäologische Nachweise von Hasen aber verhältnismäßig selten. Dies ist eigentlich auch nicht verwunderlich, spielte doch die Jagd in der Jungsteinzeit unseres Raumes keine herausragende Rolle; das Fleisch der Haustiere reichte zur Deckung des Bedarfs offenbar vollkommen aus.

In jüngerer Zeit konnten im Rahmen der Untersuchung von Tierknochen in zwei Fällen Feldhasen nachgewiesen werden. Diese sind von besonderem Interesse, da sie in Zusammenhang mit neolithischen Bestattungen, quasi als Grabbeigabe, zutage kamen.

Im Tagebau Profen (Burgenlandkreis) fand sich in einer Schachtgrube der Baalberger Kultur (4000 bis 3400 vor Christus) eine menschliche Bestattung mitsamt Gefäßbeigaben. Auf dem Bestattungshorizont lag am Rand der Grube das Skelett eines kleineren Tieres, das eindeutig als Feldhase bestimmt werden konnte. Das Tier muss bei seiner Niederlegung vollständig erhalten gewesen sein – und zwar mitsamt Kopf und Pfoten (Abbildung 3). Demnach handelte es sich keineswegs um einen Hasenbraten. Nun mag es vielleicht naheliegen an ein Haustier, also einen Kuschelhasen, zu denken – aber weit gefehlt! Feldhasen lassen sich nicht zähmen – ganz im Gegensatz zu den nah verwandten Kaninchen (Kuschelhasen sind demnach gar keine: es sind Kuschelkaninchen). Allem Anschein nach erfolgte also im Verlauf der Bestattung die Niederlegung eines vollständigen Hasen.

Ein aktuell freigelegter Befund von der Trasse der Autobahn 143 bei Benkendorf, Gemeinde Salzatal, im Saalekreis ist der Schiepziger Kultur (4300 bis 3800 vor Christus) zuzuordnen. An der Basis einer kegelstumpfförmigen Grube bestattete man eine erwachsene Frau sowie ein Kind im Alter von etwa fünf Jahren (Abbildung 4). Zwei Anhänger aus seltenem Achat deuten darauf hin, dass die Frau vielleicht von einigem Einfluss gewesen ist. Vor ihrer Brust lag das Skelett eines Feldhasen. Es ist zwar stark gestört und unvollständig, doch wird bei genauem Hinsehen klar, dass auch dieses Tier vollständig abgelegt worden ist.

Die Beobachtung vollständiger Feldhasen als Grabbeigabe ist bisher in unserem Raum von großer Seltenheit. Da es sich bei ihnen weder um Speisebeigaben noch um liebgewonnene Gefährten handeln kann, stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Deponierungen. Am wahrscheinlichsten erscheint es, dass Feldhasen bereits in der Jungsteinzeit mit bestimmten Symbolgehalten in Verbindung gebracht wurden, zu denen Fruchtbarkeit und vielleicht der Glaube an ein Jenseits gehörten. Vergleichbares zeigt sich nicht zuletzt auch in der Inszenierung der gut erforschten Neunfachbestattung von Salzmünde. Die vier beigesetzten Frauen halten Kinder in den Armen, die nicht die Ihren sind.  Das erzeugte Bild und die Symbolik stehen auch bei diesem Grab eindeutig im Vordergrund.

Text: Björn Schlenker
Online-Redaktion: Imke Westhausen, Georg Schafferer

Literatur

H.-J. Döhle, Die Nutzung von Haus- und Wildtieren im mitteldeutschen Neolithikum. In: H. Meller (Hrsg.), Früh- und Mittelneolithikum. Kataloge zur Dauerausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle 2 (Halle [Saale] in Vorb.).

S. Friederich, Salzmünde – Rituale im Mittelneolithikum im Mittelelbe-Saale-Gebiet. Darin: S. Friederich/J. Kleinecke, Kat.-Nr. 6. Tagebau Profen. In: H. Meller/R. Risch/K. W. Alt/F. Bertemes/R. Micó (Hrsg.), Rituelle Gewalt – Rituale der Gewalt. Ritual Violence – Rituals of Violence. 12. Mitteldt. Archäologentag vom 10. bis 12. Oktober 2019 in Halle (Saale). 12th Archaeological Conference of Central Germany October 12–10, 2019 in Halle (Saale). Tagungen Landesmus. Vorgesch. Halle 22,1 (Halle [Saale] 2020) 259–343, bes. 328–331.

C. Mayer/S. Karimnia/C. Knipper/M. Stecher/G. Brandt/B. Schlenker/F. Ramsthaler/K. W. Alt, Eine komplexe Mehrfachbestattung der Salzmünder Kultur. In: H. Meller (Hrsg.), 3300 BC – Mysteriöse Steinzeittote und ihre Welt. Sonderausstellung vom 14. November 2013 bis 18. Mai 2014 im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Halle [Saale] 2013) 290–299.

M. Schmitzberger, Haus-und Jagdtiere im Neolithikum des österreichischen Donaugebietes (ungedr. Diss. Univ. Wien), https://core.ac.uk/download/pdf/11588079.pdf (03.03.2021).

Zum Seitenanfang