Zur Navigation (Enter) Zum Inhalt (Enter) Zum Footer (Enter)

Der Hochaltar in der Kirche St. Agnus in Köthen

Abschluss der Restaurierung eines spätgotischen Kleinods

24. Mai 2022

Die folgende Presseinformation ist auch als PDF zum Herunterladen erhältlich.

Die evangelische Kirche St. Agnus in Köthen birgt ein besonderes Kleinod: einen herausragenden, kunsthistorisch äußerst bedeutenden spätgotischen Flügelaltar aus der Zeit um 1510. Dieser konnte dank der Initiative und des Engagements der Kirchengemeinde einer umfassenden Restaurierung und Konservierung unterzogen werden. Mit der jüngst vollzogenen Neuaufstellung des Altars an zentraler Stelle im Chor der Kirche fand das komplexe Projekt nun seinen Abschluss: Der Altar erhielt eine neue starke Präsenz im Raum und ist wieder in seiner ganzen intensiven und leuchtenden Farbigkeit erlebbar.

Die evangelische Kirche St. Agnus in Köthen wurde 1694–1699 auf Veranlassung der lutherischen Fürstin Gisela Agnes von Anhalt-Köthen errichtet. Von großer historischer Bedeutung ist sie insbesondere aufgrund der Tatsache, dass der große Barockkomponist Johann Sebastian Bach (1685–1750) in seiner Zeit als Köthener Hofkapellmeister (1717–1723) ihrer Gemeinde angehörte. Neben einem eindrucksvollen Epitaph mit dem Gemälde der Stifterin Fürstin Gisela Agnes (gestorben 1740) von Antoine Pesne aus dem Jahr 1713 und einem Abendmahlsgemälde nach Lucas Cranach dem Jüngeren (nach 1565) birgt die Kirche in ihrem Inneren ein besonderes Kleinod: einen herausragenden spätgotischen Flügelaltar mit geschnitzten hölzernen Schreinfiguren und vier bemalten Flügeln. Im Zuge einer umfangreichen Restaurierung der Kirche im späten 19. Jahrhundert erhielt er eine neugotische Umrahmung mit Predella (Sockel) und einem heute verlorenen Gesprenge (Bekrönung). Die Schnitzfiguren und Teile der Schreinrahmen wurden mit einer neugotischen Farbfassung versehen, wobei die originale spätgotische Fassung darunter erhalten blieb. Der vergoldete und gravierte, einen schweren Brokatstoff imitierende Hintergrund der Schnitzfiguren ist im Original erhalten.

Das spätgotische Retabel (Altaraufsatz) besteht aus äußerst qualitätvollen Skulpturen einer mitteldeutschen Werkstatt. Im Zentrum des Schreins erhebt sich die Figur des von der trauernden Maria und Johannes dem Evangelisten begleiteten Christus als Schmerzensmann mit dem Kelch zu seinen Füßen. In den Flügeln stehen die Heiligen Barbara mit dem Kelch, Dorothea mit dem Knaben und dem Körbchen, Andreas mit dem Kreuz und Laurentius mit dem Rost. Die sehr gut erhaltenen Gemälde der vier bemalten Altarflügel gehören zu den herausragenden Werken des beginnenden 16. Jahrhunderts in Mitteldeutschland. Eine äußerst seltene Darstellung ist die hier gezeigte Anbetung der Eucharistie. Die anderen drei Tafeln tragen Szenen aus dem Alten Testament, die ebenfalls in Bezug zum Abendmahl stehen: das Opfer des Melchisedek, des Königs von Salem, der Abraham Brot und Wein entgegenbringt und ihn segnet; das dem Auszug der Israeliten aus Ägypten vorausgehende Passahmahl sowie das Mannawunder, das Herabregnen von Speise in der Wüste nach dem Auszug der Israeliten. Die Rückseiten der äußeren Altarflügel zeigen die Apostel Philippus mit dem Kreuz und Jakobus den Jüngeren mit der Tuchwalkerstange. Die Überarbeitung des Altars aus dem 19. Jahrhundert belegt die Wertschätzung, die man damals der ›alten Kunst‹ zuteilwerden ließ.

Dieser kunsthistorisch und ikonographisch hoch bedeutsame Altar war, ausgelöst durch Schimmelbefall aufgrund seines Standortes direkt an der Ostwand der Kirche, von 2016 an Gegenstand umfassender und komplexer Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen. In deren Ergebnis ist die intensive und leuchtende Farbigkeit der Skulpturen und Gemälde wieder erlebbar. Als zwingend notwendige Präventivmaßnahme gegen erneuten Schimmelbefall musste die gesamte hölzerne Altarkonstruktion nicht nur von der Wand abgerückt, sondern vollständig ab- und an neuer Stelle im Chor am Altarblock freistehend wieder aufgestellt werden. Damit waren wiederum weitere Bau- und Restaurierungsmaßnahmen im Chor verbunden, wie die Restaurierung der zuvor durch den Altar verdeckten Fläche der Ostwand sowie die Ergänzung der in diesem Bereich fehlenden gründerzeitlichen Fußbodenplatten. Im Frühjahr 2022 konnte das ambitionierte Restaurierungsprojekt mit der Wiederaufstellung des Hochaltars im Chor erfolgreich abgeschlossen werden.

Zum Gelingen dieses auf Initiative und unter der umsichtigen Gesamtleitung der Kirchengemeinde geplanten und durchgeführten, vielschichtigen Projektes trugen mehrere Restauratorinnen und Restauratoren sowie ein Architekt bei. Die Konservierung und Restaurierung des Altarschreins selbst wurde von einem Arbeitsteam ausgeführt. Die Bearbeitung der spätgotischen Teile, vor allem der Fassung von Schnitzfiguren und Architektur sowie der Tafelmalereien oblag zwei Restauratorinnen, während sämtliche holztechnologische Maßnahmen von einem weiteren Restaurator verantwortet wurden. Hierzu gehörten die Planung und Ausführung des fachgerechten Abbaus sämtlicher Altarteile, deren Wiederzusammenfügung nach der Restaurierung sowie die Wiederaufstellung des monumentalen Altarschreins unter Begleitung durch einen Statiker. Nun ist es auch wieder möglich, den 500 Jahre alten Altar zu bestimmten Anlässen vorsichtig zu wandeln. Drei Wandlungen sind möglich: die sogenannte Festtagsseite (Schnitzfiguren), die Sonntagsseite (Malereien bei geöffneten Flügeln) und der geschlossene Zustand (Passionszeit).

Ohne das kontinuierliche Engagement der Kirchengemeinde, die bereits seit 1996 mit Hilfe unterschiedlicher Förderer die schrittweise Sanierung der gesamten Kirche verantwortet und dabei auch hohe finanzielle Eigenanteile aufbringen musste, wäre das komplexe Restaurierungsprojekt nicht denkbar gewesen. Die Finanzierung der Altarrestaurierung erfolgte ausschließlich aus Spenden sowie aus Mitteln der Kirchengemeinde und der Evangelischen Landeskirche Anhalts. Neben dem Engagement und der Leistung der Gemeinde ist auch deren sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit mit der Landeskirche Anhalts und dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt hervorzuheben. Das reibungslose konstruktive Zusammenspiel dieser und aller weiteren beteiligten Akteure trug wesentlich zu dem hervorragenden Ergebnis bei.

Mit der Neuaufstellung des Altars auf einem eigens errichteten Podest und einer neuen Mensa (Altartisch) im Chor erhält dieses bedeutende Ausstattungsstück eine deutlich stärkere Präsenz im Raum. Anstelle des in den letzten Jahren übergangsweise genutzten Altartisches soll er im Rahmen des Pfingstgottesdienstes am Pfingstsonntag, dem 5. Juni 2022, in Dienst genommen werden.

Kontakt

Dr. Tomoko Emmerling
Öffentlichkeitsarbeit
+49 345 5247-384
temmerling@lda.stk.sachsen-anhalt.de

Bildrechte der Pressefotos

Die Bildrechte an den Aufnahmen werden ausschließlich und einmalig für eine Publikation im Zusammenhang mit dem Pressetermin erteilt. Jegliche Wiederverwendung oder Neuauflage ist vorab schriftlich zu beantragen. Eine anderweitige Verwendung ist nicht gestattet. Die Bildrechte liegen, soweit nicht anders angegeben, beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Das Copyright ist stets vollständig und korrekt anzugeben. Wir bitten um ein kostenloses Belegexemplar der Veröffentlichung.

Auf Wunsch schicken wir Ihnen die Bilder gern zu. Bitte wenden Sie sich, auch bei weiteren Fragen, telefonisch an +49 345 5247-384 oder per E-Mail unter oeffentlichkeitsarbeit@lda.stk.sachsen-anhalt.de.

Zum Seitenanfang