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Fund des Monats

Juli 2005: Der Neutzer Näpfchenstein und die Anfertigung seiner Kopie

Die Werbung uns einen allen bekannten Möbelhauses ließ uns im Glauben, stets mit eigenen - schwedischen - Bräuchen die Kunden anzulocken. Aber nein - ein Fund aus Neutz in Sachsen-Anhalt bringt den Beweis - die schwedische Verkaufskette verdient Geld mit Näpfchensteinen. Aufmerksam geworden sind wir darauf, als eine Neutzer Kirche die Restaurierungswerkstatt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt damit beauftragte, eine Kopie dieses Sandsteines zu erstellen.

Beginnen wir aber mit der Sage, die mit dem Neutzer Näpfchenstein (Abbildung 1) verbunden ist:

›Bauarbeiter stießen beim Bau der Dorfkirche im Jahre 1305 auf ein brütendes Basiliskenweibchen, deren Eier in den 15 Schälchen des Steines gelegen hatten. Daraufhin tötete das drachenartige Ungeheuer mehrere Arbeiter durch seinen giftigen Atem. Auch der Pfarrer, der das Tier beschwören wollte, erlitt durch den Gifthauch den Tod. Erst einem Krieger gelang es, dem Basilisken einen Spiegel vorzuhalten. In der Annahme, es handelte sich um einen fremden Artgenossen, biss dieser in den Spiegel und verletzte sich dabei so sehr, dass Blut aus dem Hals spritzte. Das geschwächte Tier wurde dann von den herbei eilenden Bauern mit Knüppeln erschlagen.‹
Obwohl dies nur eine Sage ist, bezieht sich eine verwitterte Inschrift in der Südwand des Altarraumes auf diesen Ereignis: ›basilisci afflatu necatus‹ (›Durch den Anhauch eines Basilisken getötet‹) steht dort geschrieben. Außerdem soll im selben Raum ein Stein mit dem Bild des Basilisken eingemauert gewesen sein.

Aber wofür sind die Näpfchensteine zu gebrauchen und woher stammen sie überhaupt?

Unser Fund des Monats ist seit dem 13. Jahrhundert nachgewiesen und steht mit dem Totenkult in Verbindung. Zum Gedenken an die Toten und deren Seelen wurden in die Schälchen Öl gegossen, darin ein Docht eingetaucht und entzündet. ›Geht ja gar nicht?‹ -  ›Geht ja doch!‹. Das zeigt zumindest unser Versuch.
Wer also in Besitz eines Näpfchensteins ist, kann sich in Zukunft den Kauf von Teelichtern sparen und sollte lieber zu Öl wechseln. Dies funktionierte jedoch nicht immer so. Teelichter gab es im 13. Jahrhundert sicherlich noch nicht und Öl war auch nicht immer vorhanden. Mehr über die Wichtigkeit von Licht gibt es hier.
Rückschlüsse auf die urgeschichtlichen Näpfchensteine ergeben sich allerdings auch hier nicht. Über die Funktion wird viel gestritten. Als Behälter, Mörser, ›Lampen‹... Vermutungen gibt es viele.
Traditionsreich sind vor allem die Maßverhältnisse. Bei unserem Neutzer Fund handelt es sich um eine 73 Zentimeter lange, 18,5 Zentimeter hohe und 37 Zentimeter breite rechteckige - in einer Kirche eingemauerte - Steinplatte, auf der 15 schälchenförmige Vertiefungen in drei Reihen angeordnet sind. Hieraus ergibt sich folgende Feststellung: zweimal die Höhe ergibt die Breite und zweimmal die Breite ergibt die Länge.

Verlauf der Abformung

Die Abformung des Neutzer Näpfchensteins dauerte fünf Tage (6. Juni 2005 bis 10. Juni 2005). Das Original sowie die fertige Kopie des Näpfchensteins Original gehen nun an die 1305 gebaute Kirche zurück. Während die Kopie, die wegen der starken Verwitterung erstellt wurde, nun in die Kirche eingebaut wird, liegt das Original weiter zur Ansicht in der Neutzer Kirche aus. Die Abformarbeiten beginnen mit der Befeuchtung des Näpfchensteins. Die Befeuchtung ist wichtig, damit der Silikonkautschuk zum Schluss wieder problemlos entfernt werden kann. Weiter sollten aus demselben Grund in tieferen Einschnitten Zellstoff eingelegt werden. Blättert Farbe ab oder bei sandendem Stein muss zunächst eine Festigung erfolgen. Ist der Stein feucht genug, kann der Silikonkautschuk aufgetragen werden (Abbildung 2). Dazu wird Harz mit dem Härter T10 vermischt und gut verrührt. Das Auftragen selber sollte schnell geschehen, da der Kautschuk ansonsten noch vor den Auftragen nicht mehr zu verarbeiten ist. Zwischendurch sollten die Luftblasen entfernt werden (Abbildung 3). Sollten nach dem Trocknen noch einzelne Stellen unbedeckt sein, wiederholt man den Vorgang und gibt einfach nur eine Spatelspitze Pigmentpulver hinzu, damit man die einzelnen Stellen nicht doppelt nacharbeitet. Ist die Kautschukschicht komplett getrocknet, wird die Form mit Gips stabilisiert (Abbildung 4). Dies ist notwendig, da Silikonkautschuk sehr elastisch ist und ohne Gips die Form des Näpfchensteins nicht annehmen kann. Dazu werden zunächst die einzelnen Vertiefungen eingefettet und anschließend mit Gips ausgegossen. Nach dem Aushärten und dem Anbringen des nächsten Rahmens, werden die einzelnen Stellen mit Knete abgedichtet. Ist der Gips ausgehärtet, wird die Schicht eingefettet, damit der Gips danach problemlos zu entfernen ist. Ist alles gut eingefettet, kann die erste Schicht Gips aufgetragen werden. Über diese Schicht werden Gipsbinden gelegt (Abbildung 5) und eine weitere Gipsschicht aufgetragen. Ist alles gut eingefettet, kann die erste Schicht Gips aufgetragen werden. Über diese Schicht werden Gipsbinden gelegt und eine weitere Gipsschicht aufgetragen (Abbildung 6). Die letzte Gipsschicht wird mit einem Lineal oder ähnlichem glatt gezogen. Wenn alles ausgehärtet ist, können die einzelnen Schichten nun abgenommen und umgekehrt wieder aufgelegt werden. Also erst die Gipsform und dann die Form aus Silikonkautschuk. Fertig ist die Form (Abbildung 7).

Hier beginnt die eigentliche Abformung. In einen großen Behälter werden Beton, Quarzsand und Pigmentpulver zusammen gegeben und durchgequirlt. Dieses Gemisch wird in die Form gegebenen und der Vorgang noch mal - allerdings ohne Pigmentpulver – wiederholt (Abbildung 8). Über die zweite Schicht wird noch etwas Sand verstreut. Vorsichtig werden die Form umgedreht und die einzelnen Schichten schrittweise entfernt (Abbildung 9). Beim Abziehen des Silikonkautschuks steigt die Spannung  und fertig ist die Kopie des Neutzer Näpfchensteins (Abbildung 10).


Text: Jasmin Crombach, Heiko Breuer, Christian-Heinrich Wunderlich
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

 

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