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Fund des Monats

Juli 2008: Ein Aunjetitzer Grab mit Bronzen aus Schiepzig

Bei den Untersuchungen in Schiepzig (Landkreis Saalekreis) in den Jahren 2005 und 2007 konnte südlich einer mit Steinen gefüllten Senke eine mehrphasige Gehöftanlage mit zugehöriger Gräbergruppe nachgewiesen werden (Abbildung 1). Weitere, einzeln liegende Gräber, ein Hausgrundriss nördlich der Senke, weitere frühbronzezeitliche Hausgrundrisse, Gräber und Gruben auf dem knapp 400 Meter entfernten Fundplatz des Salzmünder Erdwerkes, weisen auf eine ausgedehnte Besiedlung des Geländes während der Aunjetitzer Kultur. Die aus dem Siedlungsbereich geborgene Keramik und die zugehörigen Radiocarbon-Daten belegen eine Besiedlung während der mittleren Phase der Aunjetitzer Kultur.

Der Befund

Unter den sechs Gräbern der Gräbergruppe war ein glücklicherweise nicht beraubtes Steinpackungsgrab, das durch seine vergleichsweise große Anzahl an Bronzegegenständen als »herausragend« bezeichnet werden muss. Zwar wies auch dieses Grab die Wühltätigkeit einer versuchten Beraubung auf: Teile des Schädels fanden sich zwischen verstürzten und herausgezogenen Steinen im oberen Bereich der Grabverfüllung. Knapp über der Bestattungslage zeigten sich jedoch im Zentrum des Grabes zwei größere Steinplatten (Abbildung 2), die anscheinend von den Grabräubern noch nicht bewegt worden waren. Als diese entfernt waren, konnten die Überreste der Bestattung freigelegt und dokumentiert werden Die Grabgrube war ovalrund mit den Maßen 1,68 Meter mal 1,10 Meter und in den anstehenden weißen Kaolinboden eingetieft (Abbildungen 3 und 4). Es handelte sich um eine Süd-Nord orientierte Hockerbestattung ohne Schädel. Reste des Oberkörpers, der Arme sowie der Beine waren erhalten, dagegen fehlten die Fuß- und Beckenknochen sowie Wirbel und Rippen aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes. Die Beine befanden sich in sehr starker Hockstellung. Der linke Arm war vor dem Oberkörper angewinkelt, die Hand lag am rechten Ellbogen, die Handknochen fehlten. Der rechte Arm war ebenfalls angewinkelt, die Hand wies in Richtung Hals.

In der linken Armbeuge befand sich ein Napf (Abbildung 5). Im Bereich des entnommenen Schädels – vermutlich am Hinterkopf – lag mutmaßlich der Knochen eines Rindes. An der rechten Schulter befand sich ein bronzener, hakenförmiger Gegenstand. Am linken Ellbogen lagen ein bronzener Pfriem mit Knochengriff, direkt daneben eine bronzene Nadel mit kegelförmigem Kopf. Ein weiteres Bronzegerät befand sich am Oberschenkel. Ein Bronzedrahtstück, das zu einer Schlaufe gebogen war, lag im Bereich der Hüfte.
Der Befund wurde im Block geborgen, die Bronzen in der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Halle restauriert, geröntgt, fotografiert und nachgeformt. Ein Knochenstück des linken Oberschenkels wurde als Probe für eine Radiocarbon-Datierung entnommen, das Ergebnis sowie die anthropologische Untersuchung stehen noch aus.

Die Funde

Der Knochengriff des bronzenen Pfriems (Abbildung 6) wurde aus dem Mittelfußknochen eines Schafes oder einer Ziege gearbeitet (freundliche Mitteilung Dr. H. Döhle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt). Das Gerät ist insgesamt 13,5 Zentimeter lang, der Knochengriff selbst 9,2 Zentimeter. Die Röntgenaufnahme, die in der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt von Heiko Breuer angefertigt wurde, zeigt einen beidseitig zugespitzten Pfriem von 11,5 Zentimeter Länge mit einer rhombischen Verbreiterung in der Mitte. Der Durchmesser des Pfriems reicht bis 0,4 Zentimeter, am Übergang zur 0,6 Zentimeter breiten, rhombischen Stelle ist der Querschnitt eher von rechteckiger Form. Die dickste Stelle des Pfriems befindet sich ein bis zwei Zentimeter innerhalb des Knochenschaftes. Um ein Hin- und Herwackeln zu verhindern, ist die entstandene Lücke zwischen Pfriem und Knochen mit einem Zwischenfutter verkittet worden (Abbildung 7).

In der Aunjetitzer Kultur sind diese Pfrieme weit verbreitet, in Mitteldeutschland gelten sie als »Leitfossil der Metallgruppe«, in Böhmen, Mähren und der Südwestslowakei sind sie relativ stark, mit weniger Exemplaren im oberen Donauraum, dem Bodenseegebiet und der Ostschweiz vertreten. Im Bereich der mittleren Saale stammen sie vorwiegend aus Grabzusammenhängen (Bartelheim 1998, 82, Taf. 48, Karte 170; Zich, 1996, 213, Karte 79, Taf. 78). Ein bronzener Pfriem mit Knochenschäftung liegt aus dem mitteldeutschen Verbreitungsgebiet der Aunjetitzer Kultur nur aus einem Steinpackungsgrab des frühbronzezeitlichen Gräberfeldes von Obermöllern (Burgenlandkreis) vor (Grimm 1932, 19ff., Grab 11, Taf. 3f). Die beste Entsprechung findet unser Stück aber in einem nahezu identisch geschäfteten Pfriem aus einem Grab des böhmischen Fundortes Zvolenèves (Okres Kladno) (Smolik 1891, Taf. 20,15).

Ein weiterer bronzener Pfriem wurde in dem Gerät vermutet, das parallel am Oberschenkel lag. Erst durch die Röntgenaufnahme wurde deutlich, dass es sich um eine unverzierte (böhmische) Ösenkopfnadel handelte (Abbildung 8). Sie ist zwölf Zentimeter lang mit gebogenem Schaft. Der obere Bereich ist mit einer braungrauen Substanz ummantelt, die bislang noch nicht bestimmt werden konnte. Um einen textilen Stoff handelt es sich nicht, zum jetzigen Zeitpunkt wird darin eine Art Kittmasse gesehen, die als Zwischenfutter zwischen der Nadel und einem Holzgriff eingebracht worden war. Weitere Untersuchungen finden statt. Sollte sich dieser Sachverhalt durch die Untersuchungen bestätigen, so wäre der Nachweis gelungen, dass Nadeln umfunktioniert und als Handwerksgerät - in diesem Fall als Pfriem - benutzt worden sind. Ösenkopfnadeln sind die im Bereich der Aunjetitzer Kultur am häufigsten in den Gräbern auftretenden Nadelformen. Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt eindeutig in Böhmen, aber auch im mittleren Saalegebiet kommen sie in starker Konzentration vor (Bartelheim 1998, 65, Taf. 46, T1.2, Karte 149; Zich 1996, 196ff., Karte 89, Taf. 77).

Unmittelbar neben dem bronzenen Pfriem mit Knochenschäftung lag eine weitere Bronzenadel, mit konischem bzw. kegelförmigem Kopf (Abbildung 9). Sie ist 10,5 Zentimeter lang, ihr Durchmesser beträgt 0,4 Zentimeter. Erst die Röntgenaufnahme ergab, dass der Hals unmittelbar unter dem kegelförmigen Kopf gerade bzw. horizontal durchlocht ist. Nadeln mit kegelförmigem, direkt durchlochtem Kopf fasste Bernd Zich unter seinem Typ 30E, Variante 1 zusammen (Zich 1996, 200f., Karte 91, Taf. 77). Ihr Vorkommen liegt außerhalb des Aunjetitzer Verbreitungsgebietes an der Odermündung sowie an wenigen Fundorten Mecklenburg-Vorpommerns. Eine einzelne Nadel mit horizontaler Halsdurchlochung und kegelförmigem Kopf wird von M. Bartelheim aus einem Grab des böhmischen Fundortes Plotíštĕ (Okres Hradec Králové) angeführt (Bartelheim 1998, 74, Taf. 46). Allerdings sitzt bei dieser Nadel die Durchlochung circa ein Zentimeter unterhalb des ebenfalls vertikal durchlochten Kopfes. Somit handelt es sich bei unserer Bronzenadel mit horizontaler Halsdurchlochung unmittelbar unterhalb des kegelförmigen Kopfes um eine in Mitteldeutschland bislang unbekannte Nadelform.

Im Hüftbereich des bestatteten Individuums befand sich das drei Zentimeter lange Bruchstück eines Bronzedrahtes, dessen Ende zu einer Schlaufe geformt war (Abbildung 10). Es war nicht zu entscheiden, ob hiermit eventuell das Bruchstück einer Spiralkopfnadel vorliegt (Bartelheim 1998, 67, Taf. 46). Für das hakenähnliche Bronzestück, das aus dem Schulterbereich geborgen worden ist, wurden bislang keine Entsprechungen gefunden (Abbildung 11). Die in Bronze gearbeitete Wicklung wurde sehr sorgfältig ausgeführt. Eventuell befand sich an einem Ende des Gerätes ein Holzgriff.

Datierung

Die Frühbronzezeit Mitteldeutschlands (2300 und 1600 vor Christus) war geprägt von den Trägern der sogenannten Aunjetitzer Kultur (nach dem Fundort Únětice in Böhmen). Das Auftreten von bronzenen Pfriemen und Ösenkopfnadeln ist für eine fortgeschrittene Phase der Aunjetitzer Kultur belegt (circa 2050 bis 1950 vor Christus). Ihre größte Verbreitung fanden diese beiden Formen jedoch sowohl im Gebiet der Mittleren Saale als auch in Böhmen während einer späteren Phase der Aunjetitzer Kultur (Bartelheim 1998, 65, 82; Zich 1996, 375f., 382f). Für die bronzene Nadel mit Kegelkopf und horizontaler Halsdurchlochung gibt es keine Entsprechungen. Das Durchlochen der Nadelköpfe ist noch ein frühbronzezeitliches, die Durchlochung des Halsschaftes dagegen bereits ein mittelbronzezeitliches (nach 1600 vor Christus) Merkmal (Bartelheim 1998, 74; Zich 1996, 201). Für fünf so genannte Lochhalsnadeln stellte jedoch Zich eine frühbronzezeitliche Datierung heraus (Zich 1996, 203f). Durch den Pfriem und die Ösenkopfnadel ist auch für die Schiepziger Kegelkopfnadel mit durchlochtem Hals eine solche Datierung gesichert. Dennoch bleibt mit Spannung das Ergebnis der Radiocarbon-Datierung aus dem Grab abzuwarten.

Mit dem Befund liegt das Zeugnis eines missglückten Grabraubes vor. Er dürfte einige Zeit nach der Niederlegung stattgefunden haben, da der Bestattete bereits skelettiert gewesen sein musste. Warum die Beraubung nicht zu Ende geführt wurde, erschließt sich uns heute leider nicht mehr, lässt uns aber glücklicherweise eines der mit Bronzen am reichsten ausgestatten frühbronzezeitlichen Gräber zurück. Zweifelsohne dürfte in diesem Grab eine angesehene und wohlhabende Person bestattet worden sein.
Nach der Unterteilung frühbronzezeitlicher Gräber anhand ihrer Ausstattung in sechs Kategorien fällt die Schiepziger Bestattung in Kategorie 4: einer Ausstattung mit mehreren Bronzen, jedoch ohne Gold. Damit hebt sich das Grabinventar von vielen armen Bestattungen ohne Beigaben oder nur mit einem Gefäß deutlich ab (Kategorie 5 und 6). Gräber der Kategorie 3 enthalten außer Bronze auch eine Beigabe aus Gold, wie etwa einen kleinen Lockenring (unter anderem Genz/Schwarz 2004, 162ff.). Kategorie 1 und 2 umfassen sogenannte »Fürstengräber« wie die von Leubingen oder Helmsdorf mit reichen Beigaben aus Gold und Bronze, welche auch in der Dauerausstellung des Landesmuseums präsentiert und rekonstruiert wurden.


Text: Andrea Moser
Online-Redaktion: Norma Henkel, Anja Lochner-Rechta

 

Literatur

M. Bartelheim, Studien zur böhmischen Aunjetitzer Kultur – Chronologische und chorologische Untersuchungen. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 46  (Bonn 1998).

H. Genz/R. Schwarz, Von Häuptlingen und anderen Oberhäuptern – Reich ausgestattete Gräber in der Frühbronzezeit. In: H. Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren. (Halle [Saale] 2004) 162-165.

P. Grimm, Ein Friedhof der frühesten Bronzezeit von Obermöllern, Kr. Weißenfels. Jahresschrift Halle 20, 1932, 19-23.

J. Smolik, Hroby se skrčenými kostramí ve Zvolenĕvsi. Památky Archaeologické 15, 1890-1892, 411-432.

Bernd Zich, Studien zur regionalen und chronologischen Gliederung der nördlichen Aunjetitzer Kultur. Berlin/New York 1996.

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