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Fund des Monats

Dezember 2012: Was von Goldberg übrigblieb

Der Dreißigjährige Krieg abseits der großen Schlachtfelder

Im Vorfeld von Hochwasser- schutzmaßnahmen im Mittelelbegebiet wurde im Herbst und Winter 2011 ein komplexes Grabensystem dokumentiert, das bereits durch eine Luftbildaufnahme aus dem Jahr 2000 bekannt war (Abbildung 1). Aufgrund der spezifischen Form war vermutet worden, dass es sich um eine späteisenzeitliche Befestigungsanlage (circa 5. bis 3. Jahrhundert vor Christus) handeln könnte. Die Ergebnisse der Ausgrabungen und der laufenden Auswertungen liefern nun ein völlig neues Bild.
Nach Ausweis des umfangreichen Fundmaterials handelt es sich um eine spätmittelalterliche bis frühneuzeitliche Anlage, die dort vom 13. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts bestand. Neben großen Mengen an Gefäßkeramik aus innenglasierter Ware, blaugrauer Ware, Malhorn- und schlickerengobierter Ware sowie Steinzeug, darunter Töpfe, Teller, Schüsseln, Grapen und Grapentiegel kamen Ofenkeramik (sowohl Blatt- als auch Napfkacheln), Schaftleuchter aus Irdenware zum Vorschein. Das Fundmaterial enthielt aber auch metallene Türbeschläge (Krampen, Überwurfbügel, Vorhänge­schlösser und eine Riegelfalle), eiserne Werkzeuge (ein Löffelbohrer, eine Metallfeile, zwei Sicheln, eine Heu- oder Ofengabel) und andere Geräte (zum Beispiel Nägel, Wetz- und Schleifsteine), Reit- bzw. Fahrzubehör (ein Sporn, eine Trense, mehrere Hufeisen und der Eisenring einer Wagendeichsel), schließlich sogar Fensterglasbruchstücke und ein Glasgefäßfragment.

Nach Ausweis des umfangreichen Fundmaterials handelt es sich um eine spätmittelalterliche bis frühneuzeitliche Anlage, die dort vom 13. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts bestand. Neben großen Mengen an Gefäßkeramik aus innenglasierter Ware, blaugrauer Ware, Malhorn- und schlickerengobierter Ware sowie Steinzeug, darunter Töpfe, Teller, Schüsseln, Grapen und Grapentiegel kamen Ofenkeramik (sowohl Blatt- als auch Napfkacheln), Schaftleuchter aus Irdenware zum Vorschein. Das Fundmaterial enthielt aber auch metallene Türbeschläge (Krampen, Überwurfbügel, Vorhänge­schlösser und eine Riegelfalle), eiserne Werkzeuge (ein Löffelbohrer, eine Metallfeile, zwei Sicheln, eine Heu- oder Ofengabel) und andere Geräte (zum Beispiel Nägel, Wetz- und Schleifsteine), Reit- beziehungsweise Fahrzubehör (ein Sporn, eine Trense, mehrere Hufeisen und der Eisenring einer Wagendeichsel), schließlich sogar Fensterglasbruchstücke und ein Glasgefäßfragment.

Die schichtweise Abtragung der Erdschichten im Zuge der archäologischen Dokumentation zeigte weiterhin, dass unter den Schuttschichten, die das oben beschriebene Fundmaterial enthielten, Reste von rechtwinkligen Mauerfundamenten aus Bruchsteinen und Ziegeln erhalten waren. Zudem konnte geklärt werden, dass es sich bei dem im Luftbild erkennbaren, breiten, halbkreisförmigen Graben um den Teil eines artifiziell angelegten Grabens und nicht etwa um einen Altarm der Elbe handelte. Die Verfüllschichten im Grabeninneren bestanden stellenweise aus frühneuzeitlichem Ziegelbruch, so dass eine Gleichzeitigkeit des breiten Grabens mit den Gebäuderesten als gesichert gelten kann (Abbildung 2).
Reste verziegelten Hüttenlehms, verkohlter Deckenhölzer und vor allem eine massive Brandschicht über den Fundamentresten lassen ein gewaltsames Ende des Gehöfts vermuten (Abbildungen 3a und 3b). Besonders anschaulich wird dies durch zwei steinerne Kanonenkugeln, die auf dem ehemaligen Lehmboden des Hauses bzw. in der darüber liegenden Planierschicht aufgefunden wurden (Abbildung 4).
Der Fund der Kanonenkugeln im Gebäudeinneren in Kombination mit historisch dokumentierten Truppen­bewegungen im Mittelelbegebiet und der Datierung des Fundmaterials bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts weisen darauf hin, dass das Gehöft aller Wahrscheinlichkeit nach im Zuge des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) gebrandschatzt wurde.

Flächenbrandartige Plünderungen erfolgten im Verlauf dieses Krieges systematisch, nicht nur zur Versorgung der eigenen Truppen, sondern um dem nachfolgenden Gegner im wahrsten Sinne des Wortes verbrannte Erde zu hinterlassen und so die gegnerische Truppenversorgung immens zu schwächen – letztlich führten nicht die vermeintlichen Entscheidungsschlachten, sondern die großflächige Devastierung der Landschaft dazu, dass Heere sich geschlagen geben mussten. Dass sich die Plünderung dieses Gehöfts gelohnt haben dürfte, lassen diverse Fundstücke vermuten, die auf das einstmals gehobene Inventar hinweisen, darunter zum Beispiel die Fragmente von Fensterglas und aufwändig verzierte Ofenkacheln, sowie – besonders eindrucksvoll – Schloss und Riegel aus dem Brandschutt (Abbildungen 5a bis 5d).

Bereits während der laufenden Ausgrabungen ergab sich die Vermutung, dass die spätmittelalterliche bis frühneuzeitliche Anlage nur in ihrem Randbereich erfasst worden war. Diese Folgerung ergab sich unter anderem daraus, dass der breite Graben offenbar ein Areal nördlich des ergrabenen Hausbefundes, nicht aber diesen selbst, umschloss. Das unmittelbar westlich anschließende Gebiet war aufgrund der dichten Bewaldung kaum einsehbar; Teilabschnitte einer Umwallung waren bei gezielter Suche nach der Entlaubung in den Wintermonaten allerdings erkennbar. Aus diesem Grund wurden schließlich Airborne-Lasercan-Daten zur Auswertung herangezogen. Dieses Messverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass aus der Luft eine Laservermessung erfolgt, bei der der bestehende Bewuchs »weggerechnet« werden kann, sodass trotz Bewaldung die Geländeoberfläche sichtbar wird (Abbildung 6).

Das Ergebnis ist überaus beeindruckend. Es zeigte sich, dass im Waldboden eine vollständig erhaltene, regelmäßig in zwei Hausreihen strukturierte und massiv befestigte Ortswüstung verborgen liegt. Dank der Grabungen wissen wir, dass die Anlage ein Opfer der Brandschatzungen des Dreißigjährigen Krieges wurde. Damit ist sie eine der seltenen Wüstungen, die nicht in der »klassischen« Wüstungsphase des 14./15. Jahrhunderts verlassen wurde. Im Gegensatz zu diesen Dörfern hatte die Ortschaft im Wald weit über das Mittelalter hinaus Bestand. Die Anlage ist darüber hinaus offensichtlich hervorragend erhalten, da das Gelände nie wieder überbaut wurde. In den letzten Jahren sind zunehmend die Schlachtfelder des Dreißigjährigen Krieges mit ihren großflächigen Kampfszenarien in den Fokus der internationalen Forschung gerückt. Im Gegensatz zu den offiziellen Kriegsschauplätzen stellt die Dorfwüstung im Wald heute ein immens wichtiges Zeugnis der grausamen Alltagsrealität des Dreißigjährigen Krieges dar.
Historische Quellen erlauben zudem aller Wahrscheinlichkeit nach die Identifizierung unserer Anlage mit der in historischen Quellen mehrfach erwähnten Wüstung »Goldberg«:

»Die als Erstnennungen angesehenen Namensformen der Ortswüstung »Goldberg« […] lauten »Goleberch« (1268) und »Golberg" (1273-1330) […]. Kaum fünfzig Jahre früher findet sich die Form »Golberghe« (1219). […] Die Nichtexistenz eines ähnlichen Siedlungsnamens im Mittelelbegebiet dürfte auf eine Ortswüstung unweit des Sees schlussfolgern lassen. Eine Überlieferung für 1591 berichtet vom »Golberge an der Elbe«, was auf eine mögliche Lage der gegenwärtig nicht exakt zu lokalisierenden Ortswüstung zwischen dem heutigen »Goldberger See« und dem Elbestrom deutet.«

Darüber hinaus ist für die Wüstung von der Existenz eines einstmals zugehörigen Adelssitzes auszugehen:

»Die einstige Höhenbezeichnung mittelniederdeutsch »berch« scheint also im genannten Gebiet zum Synomym für mittelniederdeutsch »borch« ›Burg‹ geworden zu sein. Es ist daher bezüglich der nicht mehr exakt lokalisierbaren Ortswüstung »Goleberch« nach einem befestigten Adelssitz zu fragen [...]. Ein am 13. November 1219 genannter »Fridericus de Golberghe« war, wie seine Stellung in der Zeugenreihe zeigt, adligen Standes. Der Herkunftsort, nach dem sich Friedrich benannte, wird daher eine Befestigung gehabt haben. Das Grundwort des Siedlungsnamens muss sich also nicht auf eine Bodenerhebung beziehen (›Berg‹), sondern gehört in das semantische Feld ›Befestigung, Burg‹. Dieses Resultat lässt nach Befestigungsresten in einem überschaubaren Gebiet zwischen Goldberger See und Elbe fragen. [...] Zum anderen gilt im Untersuchungsgebiet eine bemerkenswerte Kopplung des Wortes »berch« nicht nur an den Sinngehalt ›Befestigung, Burg‹ allgemein, sondern an den [...] Befestigungstypus der Turmhügelburg (Motte).«

Festzuhalten ist, dass durch die Untersuchungen im Zuge des Hochwasserschutzes historisch relevante archäologische Befunde dokumentiert werden konnten. Gesichert ist zunächst die Datierung, da sowohl archäologische wie historische Quellen diesbezüglich übereinstimmen. Die Vermutung, dass Teile des Grabensystems eventuell in eine ältere (vorgeschichtliche?) Phase datieren könnten, ließ sich nicht bestätigen. Der generelle Charakter der Ansiedlung konnte dahingehend geklärt werden, dass sie zumindest in Teilen aus wohlhabenden Anwesen bestand, die – im Gegensatz zu einfachen Bauernkaten – mit Kachelöfen und Fensterglas ausgestattet waren. Eine gewaltsame Zerstörung lässt sich sicher nachweisen, sehr wahrscheinlich erfolgte sie im Zuge der Truppenbewegungen des Dreißigjährigen Krieges, denn einfache Räuberbanden würden schwerlich Artillerie mit sich führen.

Ausgehend vom dokumentierten Befund gilt es zu klären, warum der ausgegrabene Teil des breiten Grabens ins Innere der Anlage läuft und nicht mit dem östlichen Zipfel der Befestigung zusammentrifft. Grenzte der Graben möglicherweise an einen von Nord nach Süd durch die Siedlung verlaufenden Bachlauf? Im Preußischen Urmesstischblatt ist direkt südlich der Siedlung ein heute verlandetes Gewässer eingetragen (Abbildung 7). Handelt es sich bei den am östlichen Rand erkennbaren Eintiefungen eventuell um Lehmentnahmegruben? Auf die Gewinnung von Lehm könnten auch unregelmäßige, aber flächige Abgrabungen deuten, die in den Schnittprofilen rund um das freigelegte Haus dokumentiert wurden. Welche Rückschlüsse lässt dies auf die Bauweise innerhalb der Siedlung zu? Gab es vielleicht Massivlehmhäuser, eine weit verbreitete Bautradition im mitteldeutschen Trockengebiet? Was hat es mit den schmalen Gräbchen auf sich, die an den breiten Graben anschließen und so eine zusammenhängende Grabenstruktur bilden? Der Ausgrabungsbefund liefert keine Hinweise auf eine stratigraphische Trennung, so dass gegenwärtig von einer Gleichzeitigkeit der Grabenanlagen auszugehen ist. Was hat das innerhalb der Wüstung erkennbare Geviert zu bedeuten, das sich offensichtlich an der nördlichen Hausreihe orientiert, und in welchem zeitlichen und funktionalen Verhältnis steht es zur äußeren Befestigung? Ein überaus spannender Befund, der sicherlich noch aufschlussreichen Einblick in die entbehrungsreichen und gefährlichen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges auch abseits der großen Kriegsschauplätze geben wird.


Text: Dietlind Paddenberg, W. Thoma, Mechthild Klamm
Online-Redaktion: Konstanze Geppert, Anja Lochner-Rechta

 

Literatur

M. Klamm/O. Kürbis, Gewinnung und Verwendung von Lehm als Baumaterial in prähistorischer und historischer Zeit – mit Beispielen aus Mitteldeutschland. In: Terra Praehistorica [Festschrift für Klaus-Dieter Jäger zum 70. Geburtstag]. Neue Ausgrabungen und Funde in Thüringen – Sonderband 2007. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 48, 483-510.

C. Müller, Schrecken des Krieges in Stadt und Land. Der Dreißigjährige Krieg in und um Latdorf. In: S. Friederich u. a. (Hrsg.), Archäologie am Kalkteich 22 bei Latdorf. Die Chemie stimmt! Archäologie in Sachsen-Anhalt, Sonderband 9 (Halle [Saale] 2008) 95-104.

M.Schaper (Hrsg.), Europa im Dreißigjährigen Krieg - Vom Prager Fenstersturz bis zum Westfälischen Frieden. Geo Epoche 29/2008.

R. Schwarz, Pilotstudien – Zwölf Jahre Luftbildarchäologie in Sachsen-Anhalt. (Halle [Saale] 2003).

J. Weinert: Zur Onomastik in der Geschichtlichen Landeskunde des nördlichen Pagus Serimunt. In: U. Föllner (Hrsg.), Niederdeutsch. Sprache und Literatur der Region, (Frankfurt am Main 2001) 149-182.

 

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