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Fund des Monats

Mai 2012: Zeichen von Wohlstand und Macht?

Drei frühbronzezeitliche Armstulpen aus Bellingen (Landkreis Stendal)

Die Tangerniederung zwischen Tangermünde und Stegelitz (Landkreis Stendal) steht seit einigen Jahren im Fokus der Bodendenkmalpflege und wird von ehrenamtlichen Denkmalpflegern und Mitarbeitern des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt begangen.
Bei den ältesten Funden handelt es sich um Feuersteinartefakte aus der  späten Altsteinzeit  beziehungsweise der Mittelsteinzeit. Die Keramikfunde weisen ein Spektrum von der Jungsteinzeit bis in die spätslawische Zeit auf. Größere Fundkonzentrationen finden sich erst wieder für die römische Kaiserzeit und das späte Frühmittelalter. Umso mehr überraschte es, dass bei Feldbegehungen mittels Metalldetektoren im Jahr 2007 gleich drei Armstulpen aus der Bronzezeit zu Tage kamen, welche dem Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege Sachsen-Anhalt übergeben wurden.

Die beiden vollständig erhaltenen Armstulpen fanden sich nahezu auf der Pflugsohle in etwa 30 Zentimeter Tiefe, während die Fragmente der zerbrochenen Armstulpe in flacheren Schichten des Pflughorizonts streuten (Abbildung 1). Der gesamte Bereich wurde intensiv begangen, wobei allen Signalen nachgegraben wurde, um eine möglichst vollständige Bergung zu gewährleisten. Als problematisch erwies sich dabei jedoch die unmittelbare Nähe zu den Oberleitungen der Bahnlinie Stendal – Magdeburg. Die Belastung durch elektromagnetische Interferenz (EMI) behindert die Arbeit mit Metalldetektoren erheblich oder macht diese nahezu unmöglich.

Nach der Bergung - Die restauratorische Behandlung

Die drei Armstulpen sind zwischenzeitlich durch die Restaurierungswerkstatt des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt untersucht und restauriert worden (Abbildungen 2a bis c). Sowohl die beiden komplett geborgenen als auch die fragmentierte dritte Armstulpe waren stark und hartnäckig verschmutzt und korrodiert. Es erfolgte die mechanische Abnahme der Erd- und Korrosionsschichten sowie ein konservierender Überzug mit mikrokristallinem Wachs. Die insgesamt sechs Fragmente der dritten Armstulpe ließen sich in ihrer Position rekonstruieren und wurden zusammengeklebt.

Nicht »Einfach nur Schmuck«

Bei den vorliegenden gerippten Armstulpen handelt es sich um gegossene Exemplare, eine typische Eigenschaft dieser Artefaktgruppe. An den Exemplaren ließen sich im Laufe der Restaurierungsarbeiten Gussnähte sowie Gussblasen feststellen (Abbildung 3). Damit stehen sie im Gegensatz zu den Blecharmstulpen vom Typ »Borotice«, deren Verbreitung sich auf die Südmährisch-Niederösterreichische Gruppe der Aunjetitzer Kultur beschränkt.
Das Verbreitungsgebiet der gerippten Armstulpen erstreckt sich von Südskandinavien bis nach Böhmen sowie entlang der Oder-Saale-Linie bis nach Mittelpolen. Verbreitungsschwerpunkte finden sich in Mecklenburg, im Mittelelbe-Saale-Gebiet sowie in Zentralböhmen.
Die Verteilung der gerippten Armstulpen ist auf Grund ihres Vorkommens in Horten und Gräbern geographisch klar zu differenzieren (Abbildung 4). In Norddeutschland sowie im Verbreitungsgebiet der Circumharzer Gruppe der Aunjetitzer Kultur finden sie sich ausschließlich in Horten, während sie in der Nordböhmischen Gruppe überwiegend an Gräber gebunden scheinen. Eine Ausnahme bildet Grab 6 auf dem Gräberfeld »Kuhtanz« in Goseck (Burgenlandkreis).

In Bestattungen liegen sie oft paarweise vor und finden sich in Fundlage immer im Bereich der Unterarme wieder. Gleiches gilt auch für Horte, in deren Inventar sich gerippte Armstulpen finden lassen. Dieses Phänomen der »Doppelausstattung« tritt in Bestattungen und Horten der klassischen Phase der Aunjetitzer Kultur immer wieder auf (als Beispiele seien nur die Inventare der Bestattungen in den »Fürstenhügeln« von Leubingen und Helmsdorf sowie der Hortfund von Nebra genannt).
Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass gerippte Armstulpen singulär deponiert worden sind. Sie finden sich immer in Mischhortinventaren, wurden also zusammen mit anderen Bronzeartefakten deponiert. Diese Mischhortinventare zeigen in der nördlichen Aunjetitzer Kultur immer wieder Vergesellschaftungen mit nicht für den alltäglichen Gebrauch bestimmten Artefakttypen auf, die in Zusammenhang mit profanen und/oder rituellen Handlungen gedeutet werden können. Zu erwähnen sind insbesondere Stabdolche sowie Prunkbeile und Dolche. Die gemeinsame Deponierung impliziert eine Verwendung der gerippten Armstulpen im Kontext profaner oder ritueller Handlungen - sie werden somit zu Symbolen von Status und Macht (Abbildung 5).

Darauf deutet auch die Verwendung als Grabbeigabe hin. Gerippte Armstulpen finden sich ausschließlich in besser ausgestatteten Gräbern wieder. Innerhalb der Circumharzer Gruppe der Aunjetitzer Kultur ist das schon erwähnte Grab 6 vom Fundplatz Goseck zu nennen - hier beinhaltet das Grabinventar neben zwei gerippten Armstulpen noch zwei Ösenkopfnadeln, einen goldenen Noppenring sowie Fragmente eines kleinen Gefäßes (Abbildung 6).
Die drei gerippten Armstulpen von Bellingen lassen sich der Fundgruppe der Horte zuordnen. Bei der Auffindung und Bergung fanden sich keinerlei Anhaltspunkte, welche auf eine Bestattung hinweisen würden. Ob es sich um ein in sich geschlossenes Hortensemble handelt, muss noch geklärt werden. Aufgrund der schon erläuterten Beobachtung, dass gerippte Armstulpen immer zusammen mit Artefakten anderer frühbronzezeitlicher Metalltypgruppen deponiert wurden, ist nicht auszuschließen, dass der Fundkomplex in dieser Zusammenstellung nicht komplett überliefert ist. Es erscheint zudem durchaus möglich, dass bereits andere Bronzen zu einem früheren Zeitpunkt von diesem Fundplatz entfernt wurden.

Exkurs: Metallurgische Analysen

Das Kupfer der Armstulpen

Die in der Folge am Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie in Mannheim in Auftrag gegebenen Metallanalysen sollten weitere wissenschaftlich verwertbare Daten erbringen. Dabei wurden jeweils pro Armstulpe drei Messungen aus jeweils einer Probenentnahme durchgeführt und das statistische Mittel bestimmt.
Alle drei Armstulpen bestehen aus einer Kupferlegierung mit Anteilen an Antimon, Arsen und Nickel. Die Zinnwerte liegen jeweils unterhalb der Nachweisgrenze; es ist also praktisch kein Zinn enthalten. Bemerkenswert ist der jedoch der hohe Silbergehalt.
Alle Messwerte deuten klar darauf hin, dass für alle drei Armstulpen das gleiche Ausgangsmetall eingesetzt wurde. Laut den Analyseergebnissen ist eine Herkunft aus einem silberreichen Fahlerz der so genannten Tetraedrit-Tennantit-Mischreihe möglich.
Ungewöhnlich erscheint in diesem Zusammenhang der recht hohe Nickelgehalt, der wahrscheinlich aus einer anderen Erzquelle, etwa einem nickel- und silberhaltigen Fahlerz stammt. So könnte es sich bei dem Metall der Armstulpen um eine Mischung zweier Fahlerzsorten handeln.
Die gewonnenen Analysedaten deuten darauf hin, dass das verwendete Kupfer zu einer Fahlerzkupfergruppe zuzuordnen ist, die als »Singener Kupfer« bezeichnet wird. Die Herkunft ist für den west- und ostalpinen Bereich (etwa am Mitterberg in Österreich) nachgewiesen. In den letzten Jahren gelang es, diese Fahlerzgruppe unter Berücksichtigung neuer Daten weiter zu verifizieren. Demnach scheint es möglich, dass das verwendete Fahlerz ein lokal vorkommender Typ aus mitteldeutschen Lagerstätten sein könnte. Dieses Ergebnis beruht allerdings auf Indizien und ist in der Zukunft noch zu diskutieren.


Text: Marco Chiriaco
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

 

Literatur

M. Barthelheim, Studien zur böhmischen Aunjetitzer Kultur - Chronologische und chorologische Untersuchungen. Universitätsforsch. Prähist. Arch 46 (Bonn 1998).

W. A. von Brunn, Die Hortfunde der frühen Bronzezeit aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Dt. Akad. Wiss. Berlin, Schr. Sektion für Vor- u. Frühgesch. 7 (Berlin 1959).

M. Chiriaco, Der Hortfund von Bellingen in seinem kulturhistorischen Kontext - Ein Beitrag zur Typologie, Chronologie und Chorologie frühbronzezeitlicher Armstulpen und Armbänder im Verbreitungsgebiet der Aunjetitzer Kultur und ihrer Peripherie. Unveröffentl. Magisterarbeit (Halle 2009).

O. Förtsch, Bronzezeitliche Gräber von Goseck. Jahresschr. Halle 1, 1902, 62-74.

R. Hachmann, Die frühe Bronzezeit im westlichen Osteseegebiet und ihre mittel- und südosteuropäischen Beziehungen. Chronologische Studien. Beih. Atlas Urgesch. 6 (Hamburg 1957).

R. Krause, Studien zur kupfer- und frühbronzezeitlichen Metallurgie zwischen Karpatenbecken und Ostsee. Vorgesch. Forsch. 24 (Rahden/Westf. 2003).

E. Lauermann, Studien zur Aunjetitzer Kultur im nördlichen Niederösterreich. Universitätsforsch. Prähist. Arch. 99 (Bonn 2003).

B. Zich, Studien zur regionalen und chronologischen Gliederung der nördlichen Aunjetitzer Kultur. Vorgesch. Forsch. 20 (Berlin, New York 1996).

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