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Fund des Monats

September 2020: Hünengräber-Rundweg Bismark

Großsteingräber, im Volksmund ›Hünengräber‹ genannt, sind die ältesten obertägig sichtbaren Kulturdenkmale der Altmark (Abbildung 1). Bis in die beginnende Neuzeit wurden Hünengräber auch hier durch übernatürliche Erscheinungen erklärt, für ›heidnische Opferaltäre‹ oder ›Backöfen‹ von Riesen oder Teufeln gehalten, da nur diese die Kraft besäßen, die gewaltigen Steine zu bewegen (Abbildung 2). Nach der Reformation und im Zuge der Auklärung setzte sich allmählich die Erkenntnis durch, dass es sich um von Menschen errichtete Grabanlagen (und aufgerichtete Steine handelte). Mit der Aufklärung begann (dann europaweit) die Erforschung dieser Anlagen aus ›großen Steinen‹, also Megalithanlagen: für die Altmark beschrieben im 18. Jahrhundert Johann Christoph Bekmann ­– nach dessen Todesein Großneffe Bernhard Ludwig Bekmann (1751)– mehrere Großsteingräber. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert erfolgten hier dann die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen und Beschreibungen durch Johann Friedrich Danneil (1843, Abbildung 3) sowie durch Eduard Krause und Otto Schoetensack (1893).

Schon die Bekmanns beklagten sich darüber, dass die Bauern die großen Steine beseitigten; die größten Zerstörungen fanden jedoch im Zuge der Agrarreformen von 1807 und 1811 und der daraus folgenden Separation (die Verkoppelung oder Flurbereinigung des 19. Jahrhunderts im Königreich Preußen) statt. Die Bevölkerung wuchs rasant, gleichzeitig nahm die Industrialisierung an Fahrt auf – daher benötigte man für den Bau von neuen Straßen, Brücken, Häusern und Eisenbahnlinien Steine als Baumaterial (zum Beispiel Beesewege). Noch heute können bei einigen Großsteingräbern runde Sprenglöcher sowie sogenannte Keiltaschen nachgewiesen werden (Decksteine in Grassau und Kläden). Von den 67 bekannten und vor allem im 19. Jahrhundert beschriebenen Großsteingräbern der östlichen Altmark sind heute lediglich noch acht Gräber vorhanden – fünf davon befinden sich in der Gemeinde Bismark. 42 Gräber (von insgesamt 150 beschriebenen Anlagen) erhielten sich in der westlichen Altmark. Lediglich im Haldensleber Forst sind aufgrund der jahrhundertelangen Waldbedeckung noch zahlreiche Gräber vorhanden, während in den intensiv bewirtschafteten und besiedelten Landschaften um Magdeburg, Halle (Saale) und in Anhalt fast alle Gräber zerstört wurden.

Im 20. Jahrhundert erfolgten Ausgrabungen unter Leitung von Ulrich Fischer durch das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) und durch die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Zwischen 2005 und 2015 wurden im Rahmen von mehreren Forschungsprojekten durch die Christian-Albrechts-Universität Kiel und dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt weitere Großsteingräber in Sachsen-Anhalt untersucht.
Aufgrund der schlechten Erhaltungsbedingungen blieben in den untersuchten Gräbern der Altmark keine menschlichen Knochen aus der Erbauungszeit erhalten. Vergleiche mit den angrenzenden Megalithgrab-Regionen in Mecklenburg und Niedersachsen lassen darauf schließen, dass die Bauten zu ihrer Entstehungszeit entweder als Kollektivgräber oder als Beinhäuser für eine größere Anzahl von Toten bestimmt waren. Über einen regelrechten Gang beziehungsweise einen anderweitigen Zugang waren die Grabkammern ursprünglich jederzeit betretbar; nach Aussage der Funde spielte der Vorplatz und der Eingang eine wesentliche Rolle im Ritus (Speise- und Trankopfer, Abbildung 4).

Einfache, kleine Anlagen wurden wohl schon ab 3800 vor Christus erbaut. Die Errichtung der Großsteinanlagen im nördlichen Gebiet Sachsen-Anhalts ist vor allem mit der Altmärkischen Tiefstichkeramik zu verbinden – einem an der Unterelbe, im Wendland, der Altmark und dem nördlichen Mittelelbe-Saale-Gebiet verbreiteten Regionalstil der Trichterbecherkultur aus der Zeit zwischen 3700 bis 3350 vor Christus. Die meisten Gräber wurden nach 3600 bis etwa 3100 vor Christus errichtet, also innerhalb von etwa 15 Generationen. Die Sitte, Megalithanlagen für Kollektivgräber zu errichten, ist in Sachsen-Anhalt vermutlich auf Einflüsse aus dem norddeutsch-südskandinavischen Raum zurückzuführen.

Die Stationen des Hünengräber-Rundwegs

Diese einzigartige Ritual- und Gräberlandschaft der Jungsteinzeit ist heutzutage zu Fuß oder mit dem Fahrrad jederzeit zu erleben. Ein Großsteil der besonders herausragenden Megalithgräber lassen sich entlang des Hünengräber-Rundwegs besuchen. Die Strecke beträgt ungefähr 20 Kilometer und bietet sich als Wanderroute oderfür eine leichte Radwanderung an. Die meisten Stationen sind auch per Auto erreichbar, die Rundweg lässt sich somit auch in Teilabschnitten erkunden (Abbildung 5). Die Route liegt an der Bahnverbindung Salzwedel–Stendal (Ausstieg am Bahnhof Kläden oder am Bahnhof Hohenwulsch).Einkehrmöglichkeiten befinden sich in Kläden und in Bismark.Der Rundweg ist familienfreundlich, jedoch nicht barrierefrei; die Nutzung der Wege erfolgt auf eigene Gefahr.

Ein Flyer zum Wanderweg liegt an folgenden Stellen aus:

  • Rathaus der Einheitsgemeinde Stadt Bismark (Altmark)
  • Findlingspark Darnewitz
  • an jedem Hünengrab: Grassau, Bülitz, Beesewege, Kläden, Steinfeld
  • Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale)
  • Johann-Friedrich-Danneil-Museum in Salzwedel
     

Der Rundweg wurde von der Einheitsgemeinde Stadt Bismark (Altmark), AG Hünengräber, konzipiert. Texte und Bildmaterial für die Schilder und den Flyer entstanden aus einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Johann-Friedrich-Danneil-Museum in Salzwedel und dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Die Schilder wurden vom Verein zur Förderung des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale) e.V. gefördert, die Flyer und eine Rollup-Tafel mit Einbindung des Findlingsparks Darnewitz, die in Zukunft auf Messen und öffentlichen Veranstaltungen gezeigt werden sollen, wurden von der Einheitsgemeinde Stadt Bismark (Altmark) gestaltet. Die Gräber und die Zuwegungen werden durch Mitarbeiter der Einheitsgemeinde Stadt Bismark (Altmark) und der Umwelt- und Landschaftssanierung Altmark GmbH in Beetzendorf mit fachkundiger Unterstützung durch Ehrenamtliche Beauftragte des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt gepflegt. Diese stellten auch gemeinsam die Informations- und Hinweisschilder des Rundweges auf. Am 27. Mai 2020 wurde der Rundweg feierlich am Klädener Grab eröffnet (Abbildung 6).

Station 1: Das Großsteingrab von Grassau

Typ: Großdolmen mit sieben Wandsteinpaaren und ovaler Umfassung (Abbildung 7).
Das Grassauer Großsteingrab ist nur noch mäßig erhalten. Der größte Deckstein war bereits um 1890 geborsten und in die Kammer gerutscht. Ein von großen Findlingen eingefasster Grabhügel bedeckte ursprünglich die Grabkammer; die Lage der sechs erhaltenen Umfassungssteine lässt auf einen ehemals runden oder ovalen Hügel schließen. Der größte Durchmesser betrug 13,3 Meter in ost-westlicher Richtung.Die trapezförmige Kammer ist ebenfalls Ost-West orientiert und befindet sich in der Mitte der Umfassung. Im Innern misst sie 7,4 Meter in der Länge und 1,8 beziehungsweise zwei Meter in der Breite. 14 von ehemals 16 Wandsteinen und vier von ehemals fünf Decksteinen sind heute noch vorhanden. Der größte Deckstein (2,6 mal zweimal 1,2 Meter) ist zerbrochen, vermutlich wurde er gesprengt. Ein Gang ist nicht erkennbar.Der teilweise erhaltene Grabhügel ist oval, aufgrund der Erosion ist er deutlich nach außen geflossen und inzwischen 15 Meter lang, 22 Meter breit und nur noch 90 Zentimeter hoch.

Station 2: Das Großsteingrab von Bülitz

Typ: Großdolmen mit fünf Wandsteinpaaren und trapezförmiger Umfassung (Abbildung 8).
Auf dem ›Großen Trappenberg‹ befindet sich das Großsteingrab von Bülitz. Obwohl mindestens zwei Decksteine und die meisten Umfassungssteine fehlen, stehen die vorhandenen Steine noch alle aufrecht. Der noch vorhandene Deckstein und ein Wandstein sind gesprungen. 1842 war die Grabumfassung noch sehr gut erhalten. Sie wies eine Länge von 26,7 Metern und eine Breite von 8,8 beziehungsweise zehn Metern auf und war somit trapezförmig. Die ›Wächtersteine‹ an den vier Ecken der Umfassung waren auffällig groß. Das Grab ist Nordost-Südwest orientiert. Sechs Umfassungssteine sind noch vorhanden. Die Außenbreite der Umfassung beträgt 9,4 Meter. Die Kammer ist innen 5,7 Meter lang sowie 1,7 bis 2,2 Meter breit und ebenfalls trapezförmig. Zwölf Wandsteine und einer von wahrscheinlich ursprünglich drei Decksteinen sind erhalten. Dessen Größe beträgt 3,5 mal 2,7 mal 1,3 Meter. Der ehemalige Grabhügel ist nur noch zwischen den verbliebenen Umfassungssteinen in einer Höhe von 90 Zentimetern erhalten.An der Nordostseite des Grabes lehnt eine große Sandsteinplatte mit einer inzwischen kaum noch lesbaren Inschrift. Dabei handelt es sich um eine bereits 1893 erwähnte Gedenktafel für den Magdeburger Domherren und Eigentümer der Güter Kläden und Darnewitz Theodosius von Levetzow, der das Grab, um es vor der endgültigen Zerstörung zu retten, angekauft hatte. Die Inschrift lautete: »Hünengrab aus 21 Steinen – möge auch zu fernen Zeiten erhalten bleiben. – Es gehört dem Besitzer von Kläden und Darnewitz– weiland Herrn C. L. W. A. Theodosius von Levetzow – gestorben den 29. Januar 1861 – Römer XV. V. 12.« Darunter waren ursprünglich namentlich die Gräber Kläden, Bülitz und Steinfeld eingemeißelt. »Steinfeld« wurde wieder entfernt, da das Grab durch die Gemeinde in Pflege übernommen wurde. Vermutlich hatte Theodosius von Levetzow eigentlich vor, auch das Grab in Steinfeld zu kaufen.

Station 3: Das Großsteingrab von Beesewege

Typ: Zerstörter Großdolmen oder Ganggrab mit fünf Wandsteinpaaren und trapezförmiger Umfassung (Abbildung 9).
1751 erwähnten die Chronisten Johann Christoph Bekmann und Bernhard Ludwig Bekmann ein »Helden- oder Heunen- und Steinbette« bei Beesewege, das »[...] sich von Süden nach Norden erstrecket und aus 34 ansehnlichen grossen Steinen annoch bestehet [...]«. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Grab bis auf mehrere fehlende Decksteine gut erhalten. Die Länge der imposanten trapezförmigen Grabumfassung betrug damals 39 Meter, die Breite 8,2 bis 12,5 Meter, ein imposanter Deckstein (3,2 mal 2,2 Meter) ruhte auf vier oder fünf Wandsteinen der Grabkammer. Nach 1870 wurde das Grab zum größten Teil zerstört. Die Steine des Grabes dienten zum Bau der Unterführung des Beesegrabens (Biese) durch die entstehende Bahnstrecke Berlin–Bremerhaven (›Amerikalinie‹) und als Verstärkung des Bahndammes bei Beesewege. Heute sind nur noch zwei Steine, die vermutlich zur Grabkammer gehörten, und ein in drei Teile zerbrochener Stein der Umfassung vorhanden. Der Grabhügel ist noch schwach erkennbar. Zahlreiche Vertiefungen zeigen mögliche weitere Standorte ehemaliger Kammersteine an.

Station 4: Das Großsteingrab von Kläden

Typ: Großdolmen mit acht Wandsteinpaaren und ovaler Umfassung (Abbildung 10).
Einige Decksteine des Klädener Grabes sind zersprungen, viele Wandsteine umgefallen; ein Teil der Umfassungssteine liegt nicht mehr am ursprünglichen Platz. Das Grab ist Nordost-Südwest orientiert. Ursprünglich war die Umfassung oval, 18 Meter lang und 9 Meter breit. Die rechteckige oder ovale, 11,2 Meter lange Kammer liegt in der Mitte der Umfassung. Ein Deckstein ist ganz, ein anderer halb im Boden versunken. Ein Zugang zur Kammer ist nicht erkennbar.

Der Grabhügel ist sehr zerflossen. Auffällig ist eine große künstliche hakenförmige Rinne auf der Oberfläche eines Decksteins, die sich als einfache Rinne noch unter den Stein weiter herumzieht. (Abbildung 11). Eine schlüssige Erklärung dafür gibt es bisher nicht. Eines der ehemals fünf oder sechs 1838 noch vorhandenen Gräber der Gemarkung Kläden wurde durch Johann Friedrich Danneil»[...] theilweise [...] umgegraben. [...]Das Ergebniß war eine nicht unbedeutende Menge von Gefäßscherben, die besonders zwischen den Pfeilern sich fanden, welche den Deckstein, der bereits fehlt, getragen hatten. Es war insofern interessant, als sie sämmtlich mit tiefen aber scharfkantigen, 1 bis 2 Linien breiten Furchen in verschiedenen Formen, häufig in Zickzacklienien versehen waren. Das Ganze umzuarbeiten, erlaubte weder die Größe – das Grab war wenigstens 100 Fuß [ungefähr 34 Meter] lang – noch die üble Witterung. Der Fund ist in den Händen des Herrn Domherrn von Levetzow auf Kläden.« (Danneil 1838, 45).

Für eine lange Zeit blieben dies die einzigen aus altmärkischen Großsteingräbern bekannten tiefstichkeramischen Scherben. Neben den Steinen der Umfassung liegt eine zerbrochene Sandsteinplatte (Abbildung 12). Dabei handelt es sich um eine Gedenktafel für den Domherren von Theodosius von Levetzow. Die heute nicht mehr lesbare Inschrift lautete: »Hünengrab – ein Denkmal längst vergangener Zeit – möge auch ferner vor der Zerstörung bewahrt bleiben – besteht  aus 23 Steinen – gehöret [...] dem Besitzer von Kläden und Darnewitz – weiland Herrn C. L. W. A. Theodosius von Levetzow – gestorben den 29. Januar 1861 – Psalm 67, 2 und 3.«Die Inschriften lassen vermuten, dass die Sandsteintafeln in Bülitz und Kläden bereits zu Lebzeiten, nach Erwerb der Gräber,aufgestellt wurden und dass das Todesdatum als Nachtrag später hinzugefügt wurde.Nach einer mündlichen Information von Herrn Udo Schulze aus Bülitz im Jahre 2005 sollte die Klädener Tafel um 1950 für den Bau eines Ernst-Thälmann-Denkmals in Stendal verwendet werden. Als man sie vom Grab heben wollte, riss das Seil des Krans und die Platte zerbrach in zwei Teile, die man dann dort einfach liegen ließ, wo sie heute noch liegen. Zu den benachbarten Gräbern von Kläden und Steinfeld existieren einige Sagen, in denen sich streitende Riesen (Hünen) sowie ein Backofen (Großsteingrab) eine Rolle spielen.

Sowohl in der Gemarkung Kläden als auch in der Gemarkung Steinfeld befanden sich früher weitere Großsteingräber, die aber alle zerstört wurden. An der Klädener Kirche befindet sich der moderne Nachbau eines Dolmens, für den vermutlich Steine eines der zerstörten Gräber verwendet wurden. Welchem der Steinfelder Großsteingräber die folgende Sage gewidmet war, ist heute jedoch nicht mehr zu ergründen. Mit dem »Backofen« wird eines der Klädener Gräber gemeint gewesen sein: In grauer Vorzeit lebte sowohl in Steinfeld als auch in Kläden ein Riese. Die beiden vertrugen sich gut miteinander, sodass sie sogar in Kläden einen gemeinsamen Backofen besaßen, den sie an ihren Backtagen gemeinschaftlich benutzten. Da der Ofen in Kläden lag, war der dortige Riese für das Anheizen verantwortlich. Wenn dann also der Backofen heiß genug war, schlug der Klädener Hüne mit seiner Teighacke gegen den Backtrog und der andere machte sich mit seinem fertigen Teig auf den Weg. Das gemeinsame Backen klappte immer recht gut, bis eines Tages ihre Freundschaft sehr auf die Probe gestellt wurde und letztendlich zerbrach.An einem der festgelegten Backtage war der Klädener sehr früh auf und noch mit dem Reinigen seines Backtroges beschäftigt. Eine ganze Weile ärgerte ihn dabei schon eine unverschämte Fliege, die sich einfach nicht vertreiben ließ. Endlich setzte sie sich auf den Backtrog und begann sich zu putzen. »Na warte«, sagte sich der Riese, schlug mit seiner Teighacke zu und erlegte den Plagegeist. Der Schlag war bis Steinfeld zu hören, und folgerichtig dachte der dortige Riese, dass der Ofen schon warm genug wäre. Da er aber eben erst begonnen hatte seinen Teig einzurühren, war er sehr erstaunt, beeilte sich aber umso mehr, den Teig fertig zu bekommen. Danach rannte er ohne Frühstück, mit knurrendem Magen, in Riesensätzen nach Kläden hinüber. Gerade als ob dieser ihn foppen wollte, saß der Klädener Riese gemütlich beim Frühstück, hatte seinen Teig nicht einmal eingerührt und – um dem Ganzen die Krone aufzusetzen – war selbst der Backofen noch kalt. Als ob nichts geschehen wäre,  fragte er auch noch scheinheilig: »Was willst du denn schon hier? Es ist doch noch viel zu früh!« Da Riesen oft sehr cholerisch veranlagt sind, fing der Steinfelder außer sich vor Wut an zu toben und überhäufte seinen Kameraden mit Schmähungen. Wenn ihm sein Teig nicht zu schade gewesen wäre, hätte er ihn dem Klädener am liebsten über den Kopf geschüttet. Wild wie ein Teufel rannte er nach Steinfeld zurück, der Klädener, der gar nicht wusste, wie ihm geschah, hinterher, um sich für die Schimpfreden zu rächen. Kurz vor Steinfeld holte er den anderen ein und es kam folgerichtig zu einer ordentlichen Keilerei. Als sie davon genug hatten, begannen sie sich mit Steinen zu bewerfen. Von diesem Kampfe her sind die Steine des Hünengrabes von Steinfeld liegen geblieben und noch heute zu besichtigen.

Station 5: Das Großsteingrab von Steinfeld

Typ: Großdolmen mit sieben Wandsteinpaaren und trapezförmiger Umfassung (Abbildung 13).
Das Steinfelder Großsteingrab ist das größte erhaltene Megalithgrab der östlichen Altmark. Im Laufe der Jahrtausende nach der Errichtung floss der Hügel zwischen der Grabumfassung nach außen, die Umfassungssteine und die Wandsteine der Grabkammer neigten sich ebenfalls nach außen und die Decksteine rutschten in die Kammer.Das annähernd Nord-Süd orientierte, trapezförmige Grab ist 46,5 Meter lang, im Norden 6,5 Meter und im Süden bis 4,8 Meter breit. Insgesamt 53 von 60 Umfassungssteinen sind noch vorhanden; ein nicht zugehöriger Stein wurde in jüngerer Vergangenheit in eine Lücke gelegt. Die 2,3 beziehungsweise 2,5 Meter hohen ›Wächtersteine‹ an den südlichen Ecken überragten die gesamte Anlage. Die 8,5 Meter lange Grabkammer befindet sich im nördlichen Teil der Umfassung. Der größte Deckstein misst 2,2 mal 1,6 mal 0,6 Meter. Auf der heutigen Oberseite eines umgefallenen ›Wächtersteines‹ im Südwesten der Umfassung befinden sich auffällig viele schmale, nur zum Teil natürliche ›Wetzrillen‹. Zum Teil kreuzen sich Rillen – im Kreuzungspunkt befindet sich dann eine kleine, runde Vertiefung. Ein großer Teil der Rillen ist – ähnlich wie an vielen Kirchen - erst durch das Wetzen entstanden. 1893 berichteten Eduard Krause und Otto Schoetensack: »Ein Deckstein ruht nur auf einigen Punkten seiner unteren Fläche auf den Wandsteinen, so dass er beim Anschlagen klingt. Er ist in der ganzen Gegend unter dem Namen ›der klingende Stein von Steinfeld‹ bekannt.« Heute klingt der Stein nicht mehr.

Noch Mitte des 19. Jahrhunderts existierten zwei weitere große Megalithgräber in der Gemarkung Steinfeld. Eines davon besaß 1751 drei Deckplatten von ungewöhnlicher Größe, weshalb sie 1853 bei einem Brückenbau ›Verwendung‹ fanden. Wieder sind die Riesen (Hünen) und ein Backofen (Großsteingrab) im Spiel, wenn es in einer anderen Sage um den Namen des Dorfes Steinfeld geht: Früher lebten die Riesen Steinfeld und Schönfeld freundschaftlich nebeneinander. Sie buken gemeinsam ihr Brot in Steinfeld. Eines Morgens verschlief Steinfeld aber die Zeit und heizte den Backofen nicht an. Da wurde Schönfeld, der seinen Teig zum Backen bringen wollte, wütend und beschimpfte den anderen fürchterlich. Sie gerieten aneinander und begannen sich mit Steinen zu bewerfen (Abbildung 14). Ein gewaltiger Stein traf Steinfeld so, dass dieser tot zusammenbrach. Dort wo der Riese ›auf dem Felde blieb‹, steht heute das Dorf Steinfeld.


Text: Barbara Fritsch, Lothar Mittag (Johann-Friedrich-Danneil-Museum Salzwedel)
Online-Redaktion: Imke Westhausen, Anja Lochner-Rechta

 

Literatur

Johann Christoph Bekmann/Bernhard Ludwig Bekmann, Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg. Zweiter Teil: Von den Alterthümern der Mark (Berlin 1751) 345–452.

Hartmut Bock/Barbara Fritsch/Lothar Mittag, Großsteingräber der Altmark (Halle [Saale] 2006).

Johann Friedrich Danneil, Specielle Nachweisung der Hünengräber in der Altmark. In:  Sechster Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie (Neuhaldensleben-Gardelegen 1843) 86–122.

Barbara Fritsch/Johannes Müller, Großsteingräber in Sachsen-Anhalt. In: Hans-Jürgen Beier/Mario Küßner/Sven Ostritz/Dieter Schäfer/Volker Schimpff/Karin Wagner/Andreas Zimmermann (Hrsg.), Finden und Verstehen. Festschrift für Thomas Weber zum sechzigsten Geburtstag. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 66(Langenweißbach 2012) 64–80.

Lothar Mittag, Sagenhafte Steine(Spröda 2006).

Johannes Müller, Großsteingräber – Grabenwerke – Langhügel. Frühe Monumentalbauten Mitteleuropas (Darmstadt 2017).

Eduard Krause/Otto Schoetensack, Die megalithischen Gräber (Steinkammergräber) Deutschlands. I. Altmark. In: Zeitschrift für Ethnologie 25 (Berlin 1893) 105–170.

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