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Fund des Monats

Januar 2004: Zyprischer Schmuck in Köthener Land

Langjährige Grabungserfahrung zeigt, dass kulturhistorisch wertvolle Fundstücke nicht immer tief vergraben sein müssen. Häufig liegen sie nur knapp unter dem Pflughorizont (Abbildung 1). Der besonderen Aufmerksamkeit des ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegers Hans-Jürgen Müller ist es zu verdanken, dass auf der MITGAS-Trasse Peißen-Wiederitzsch ein frühbronzezeitlicher Hortfund der Aunjetitzer Kultur vor dem Abbaggern gerettet werden konnte (Abbildung 2). Nach dem ersten Baggerabtrag zeigten sich eine senkrecht stehende Nadel sowie spiralförmige Drähte im Planum (Abbildungen 2 und 3).
Diese wurden sofort gesichert und sorgfältig mit der Hand freigelegt. Direkt anschließend wurde der Suchschnitt durch Befund 67 flächig erweitert und vollständig ausgegraben. Zudem erfolgte eine Begehung des Areals mit einer Metallsonde. Es ergibt sich folgendes Gesamtbild: der Hort enthielt neben Keramik und Tierknochen insgesamt sieben Bronzegegenstände in zum Teil nur noch fragmentarischer Erhaltung. Dabei handelt es sich um Draht, die Reste von drei Spiralröllchen, zwei so genannte Schleifennadeln und einen Armring.

Bronzezeitlicher Schmuck beim TÜV

Aufgabe der Restauratoren ist nicht nur, Funde wieder »schön« zu machen, oder die »Patina« zu entfernen. Selbstverständlich versucht man in der Werkstatt, locker anhaftende Korrosionsschichten und »Schmutz«-schichten oder Bodenanhaftungen wegzunehmen, um die ursprüngliche Gestalt der Objekte erkennbar zu machen. Aber gerade die Korrosion kann auch interessante Hinweise auf  Details geben. Das wollen wir an einem Beispiel zeigen.

Friederike Hertel, Amtsrestauratorin, rückte dem Armreif zu Leibe. Äußerlich ist er stark mit Erdanhaftungen verkrustet, dieser Schmutz haftet wie Zement an den Objekten, fest verkrustet mit den Korrosionsprodukten des Ringes. Darunter befindet sich eine Schicht von grünem Malachit, und wieder darunter etwas brauner Cuprit. Die Oberfläche des Rings ist nicht besonders gut erhalten – im Gegensatz zu den Schleifennadeln, die sich hervorragend restaurieren ließen und noch gut die originale Oberfläche erkennen ließen (Abbildungen 4 und 5).

Dennoch ermöglichten gerade die starken Korrosionserscheinungen des Armringes einen interessanten Einblick, der bei besserer Erhaltung nicht möglich gewesen wäre.

Bei den Freilegungsarbeiten fiel auf, dass im Bereich der Biegungen des Armreifs, und zwar immer an der Außenseite, starke Risse in das Metall gehen. Die Risse sind eine besondere Korrosionsform - sie waren mit großer Wahrscheinlichkeit am Ring, bevor er in den Boden kam, so nicht zu sehen.

Die grüne, schrundige Korrosion mag zwar das Objekt entstellen -  den »Spurensicherern« vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt jedoch gibt das einen interessanten Hinweis auf die einstige Herstellungstechnik des Armreifes sowie auf dessen »Geschichte«. Es ist der Beweis dafür, dass der Ring nicht gegossen, sondern kalt verarbeitet und aus einem Draht gebogen wurde. In den steilen Außenkurven kam es dabei zu einer Überdehnung des Metallgefüges sowie zur Ausbildung feiner Haarrisse. Die energiereichen Verspannungen sowie die Risse bieten dabei für Korrosionsprozesses einen starke Angriffsfläche. Man nennt dieses Phänomen »Spannungskorrosion« (Abbildung 6). Besonders stark ausgeprägt sind diese Risse jedoch an zwei Knickstellen, die von einer - vermutlich absichtlichen Zerstörung des Objektes herrühren (Abbildungen 7 und 8). Der Ring wurde offenbar in zerstörerischer Absicht verbogen - vermutlich kurz vor  der Deponierung. An diesen Knickstellen, die ja nicht von einer vorsichtigen, »fachgerechten« Verarbeitung herrühren, ist diese Korrosionserscheinung deshalb besonders deutlich (Abbildung 9).

Bei dem Armring (Noppenring) handelt es sich um einen rundstabigen Draht von 0,5 Zentimeter Durchmesser, der in fünf Lagen spiralig gewunden wurde. Ursprünglich dürfte es sich um zwei zueinander gehörige Armringe gehandelt haben, von denen aus unbekannten Gründen nur einer überliefert wurde. Die Schleifennadeln, eine typische Form der mitteleuropäischen Frühbronzezeit, weisen bei einer gemeinsamen Krümmung des Schaftes konstruktive Unterschiede auf. Eine Nadel zeigt einen rollenförmig zurückgebogenen Kopf und die Halsspirale ist aus einem separaten Stück Draht gewickelt. Bei der zweiten Nadel ist das Kopfende drahtförmig ausgezogen und zunächst zu einer zweifachen Kopfschleife geschlungen um anschließend in 15 Wicklungen um den Nadelhals herumzuführen (Abbildung 10). Nadeln dieser Formgebung werden als »cyprische Schleifennadeln« bezeichnet. Im nördlichen Verbreitungsgebiet der Aunjetitzer Kultur, das  von Ostniedersachsen, über Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen bis nach Schlesien reicht, sind diese Nadeln nur aus dem Gebiet östlich und südlich des Harzes bekannt

Mit dem Adjektiv »cyprisch« wurde in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der Tatsache Ausdruck verliehen, dass unter den Schleifennadeln des östlichen Mittelmeeres besonders viele Exemplare von der Insel Zypern stammen. Hier wurde zunächst der Entstehungsort der Schleifennadeln vermutet. Auch wenn diese These sich nicht etablieren konnte, so wird das dahinter stehende Grundproblem noch immer kontrovers diskutiert: Welcher Art waren und wie entwickelten sich die Kontakte zwischen dem ostmediterranen Raum und Mitteleuropa in der Bronzezeit? Aus Mitteldeutschland liegt mit den jüngst ergrabenen Horten von Halle-Queis (2001), Zehmitz (2003) und insbesondere mit dem spektakulären Fundkomplex vom Mittelberg (Himmelsscheibe von Nebra) neues Diskussionsmaterial zu dieser Frage vor (Abbildung 11).


Text: Helge Jarecki, Heinrich-Christian Wunderlich, Friederike Hertel
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

 

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