Zur Navigation (Enter) Zum Inhalt (Enter) Zum Footer (Enter)

Fund des Monats

Oktober 2023: Ein Toter im (zukünftigen) Swimmingpool – das mittelbronzezeitliche Grab von Nordgermersleben

Beim Bau eines privaten Swimmingpools in Nordgermersleben (Gemeinde Hohe Börde, Landkreis Börde) entdeckte der Eigentümer Sascha Rochlitzer im Januar 2021 ein Bronzeschwert mit Knauf und ein Blechfragment, das sich später als Fibelbügel entpuppte, sowie einen menschlichen Schädel, den er im Boden beließ. Daraufhin informierte er die Polizei und anschließend das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle (Saale). Nach einem Ortstermin übernahmen die Grabungstechniker Olaf Schröder und Heiko Heilmann die archäologische Untersuchung der Fundstelle und fanden noch eine bronzene Lanzenspitze. Weitere Knochen oder eine Grabgrube konnten aber nicht beobachtet werden. Aufgrund der geringen Bestattungstiefe könnte das Grab einst von einem Hügel überwölbt gewesen sein, der angesichts der sehr kleinen Untersuchungsfläche jedoch nicht nachzuweisen war. Dank der Fundmeldung von Herrn Rochlitzer konnte im Garten der Familie ein in der Magdeburger Börde extrem seltener Grabfund dokumentiert werden, der nach der gängigen mitteleuropäischen Terminologie an den Übergang von der Mittel- zur Spätbronzezeit datiert, aber eindeutig in mittelbronzezeitlicher Tradition steht.

Die Lanzenspitze wies mit der Spitze etwa in Richtung Osten und lag etwa 30 Zentimeter vom Schädel entfernt (Abbildung 1). Der Position des Schädels nach wurde der offenbar neben der Lanze liegend Bestattete ungefähr in Ost-West -Orientierung beigesetzt. Die Ausrichtung der Bestattung entspricht den wenigen anderen bekannten Grabfunden in der Region, aber auch vielen in der Lüneburger Gruppe, einer bronzezeitlichen Kulturgruppe, die durch zahlreiche Gräber mit reichen Bronzebeigaben gekennzeichnet ist.

Der Schädelrest ist relativ schlecht erhalten und enthält nur sehr wenige Zähne. Nach der anthropologischen Bestimmung durch den Anthropologen Dr. Jörg Orschiedt handelte es sich sehr wahrscheinlich um einen Mann im Alter von 30 bis 40 Jahren. Das Schwert und sein verzierter Knauf, dessen dunkle Einlagen aus Birkenpech ursprünglich sicherlich einen schönen Kontrast zur annähernd goldfarbenen Bronze ergaben, stammen aus dem sog. Nordischen Kreis in Norddeutschland und Südskandinavien (Abbildung 2). Dort liegen jedoch unter Hunderten von bekannten Schwertern keine genaue Parallele zu der Klinge vor. Schwertklingen mit ähnlicher Konstruktion, deren Griffe an kurzen Griffzungen befestigt waren, kommen allerdings in Dänemark vor.

Die Lanzenspitze hat Vergleichsfunde in der Lüneburger Heide und benachbarten Regionen, ist aber die einzige bekannte Lanzenspitze dieser Form in Mitteldeutschland – wenngleich andere Lüneburger Lanzenspitzen in größerer Zahl bis hierher gelangten. Verzierungen mit umlaufenden Bändern und schraffierten Dreiecken sind an Lanzenspitzen in dieser Zeit zwar selten, aber nicht unbekannt. In der Tülle sind, ähnlich wie in Lanzenspitzen aus anderen Regionen, geringe Reste des Schaftes aus Eschenholz konserviert.

Von der Fibel ist nur der fragmentierte spitzovale Bügel aus dünnem Blech erhalten. Er ist durch Reihen c-förmiger Punzeinschläge und in der Mitte drei nebeneinanderliegende Buckel verziert, deren Zwischenräume kreuzförmige diagonale Linien aufweisen. Rekonstruiert werden kann er wohl zu einer Lüneburger Fibel mit weidenblattförmigem Bügel. Diese sind ausschließlich – schräg auf der Brust getragen – aus Männergräbern bekannt und in der Lüneburger Heide und den Nachbarräumen, in einzelnen Stücken auch bis Mecklenburg und Nordwestbrandenburg verbreitet. Dabei sind die buckelverzierten Fundstücke vor allem in der nördlichen und östlichen Peripherie der Lüneburger Gruppe bekannt.

Anhand der typologischen Einordnung der Fundstücke kann der vorliegende Grabfund eindeutig in die frühe Periode III der Bronzezeit datiert werden, die zwischen 1330 und 1100 vor Christus angesetzt wird. Eine Radiocarbon-Datierung des Schädels hat diese Einordnung jüngst bestätigt. Nordgermersleben ist damit einer von bislang recht wenigen Funden in Nord- und Mitteldeutschland, bei denen typologisch eindeutige Bronzen und eine Radiocarbon-Datierung zusammenkommen und die somit geeignet sind, die absolutchronologische Datierung der einzelnen Perioden der Bronzezeit weiter zu untermauern.

Der Fundplatz liegt in der von Schwarzerde geprägten Magdeburger Börde. Trotz der sehr fruchtbaren, seit Jahrtausenden für den Ackerbau genutzten Landschaft sind aus der Mittelbronzezeit aus bislang nicht befriedigend geklärten Gründen nur wenige Fundstellen bekannt, die in den meisten Fällen Einzelfunde erbrachten. Gerade in der Umgebung von Haldensleben (Landkreis Börde) wenige Kilometer nördlich von Nordgermersleben, ist jedoch in einer reichen, vor allem von neolithischen Megalithgräbern und Grabenwerken geprägten Denkmallandschaft auch eine Reihe von mittelbronzezeitlichen Hügelgräbern bekannt geworden. Ein Grab vom Fuchsberg nördlich von Haldensleben barg sogar eine Fibel, die dem Stück aus Nordgermersleben sehr ähnlich ist.

Die Magdeburger Börde und die umliegenden Landschaften wurden in der mittleren Bronzezeit offenbar von Kulturgruppen aus dem Norden und Nordwesten geprägt. Dies wird auch durch das neue Grab von Nordgermersleben belegt, in dem sogar beide Einflüsse vereint auftreten.


Text: Jan-Heinrich Bunnefeld, Olaf Schröder, Heiko Heilmann
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

Literatur

G. Alper/B. Fritsch, Haldensleben-Hundisburg: Siedlungsgeschichtlicher Überblick. In: S. Friederich u. a. (Hrsg.), Haldensleben – VOR seiner ZEIT. Archäologische Ausgrabungen 2008–2012. Arch. Sachsen-Anhalt Sonderband 17 (Halle [Saale] 2012) 27–33.

J.-H. Bunnefeld, Älterbronzezeitliche Vollgriffschwerter in Dänemark und Schleswig-Holstein. Studien zu Form, Verzierung, Technik und Funktion. Studien zur nordeuropäischen Bronzezeit 3 (Kiel, Hamburg 2016).

S. Fröhlich, Studien zur mittleren Bronzezeit zwischen Thüringer Wald und Altmark, Leipziger Tieflandbucht und Oker. Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums 34 (Braunschweig 1983).

M. Geschwinde, Die Hügelgräber auf der Großen Heide bei Ripdorf im Landkreis Uelzen. Archäologische Beobachtungen zu den Bestattungssitten des Spätneolithikums und der Bronzezeit in der Lüneburger Heide. Göttinger Schriften zur Vor- und Frühgeschichte 27 (Neumünster 2000).

F. Laux, Die Bronzezeit in der Lüneburger Heide. Veröffentlichungen der urgeschichtlichen Sammlungen des Landesmuseums zu Hannover 18 (Hildesheim 1971).

F. Laux, Die Fibeln in Niedersachsen. Prähistorische Bronzefunde XIV,1 (München 1973).

F. Laux, Die Lanzenspitzen in Niedersachsen. Mit einem Beitrag zu den Lanzenspitzen in Westfalen von Jan-Heinrich Bunnefeld. Prähistorische Bronzefunde V,4 (Stuttgart 2012).

R. Maraszek/A. Muhl/R. Schwarz/B. Zich, Glutgeboren. Mittelbronzezeit bis Eisenzeit. Begleithefte zur Dauerausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle 5 (Halle [Saale] 2015).

H. Wüstemann, Die Schwerter in Ostdeutschland. Prähistorische Bronzefunde IV,15 (Stuttgart 2004).

Zum Seitenanfang