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Fund des Monats

August 2023: Ein ottonischer Doppelofen für die Eisengewinnung

Bei Forstarbeiten im Zuge des durch den Klimawandel ausgelösten ›Waldumbaus‹ wird im Bereich der um Elbingerode (Harz) dominierenden Fichtenforste erheblich in den Boden eingegriffen. Die damit einhergehenden Zerstörungen von sensiblen Bodendenkmalen gaben Anlass für die Ausgrabung eines Rennofenplatzes am Oberen Huhnholz, der in einem für die Wiederaufforstung vorgesehenen Bereich liegt. Örtliche Grabungsleiter waren im Jahr 2020 Thomas Kubenz und im Jahr 2021 Marcel Röder.

Bei den Ausgrabungen wirkten zahlreiche ehrenamtliche Beauftragte der Bodendenkmalpflege mit, darunter Andreas Flohr, Günther Klatt, Udo Münnich, Frank Peters und Anna Swieder. Allen Beteiligten ist zu danken. Zwei Schlackenhalden zeichneten sich als leichter Erhöhungen in dem bereits entwaldeten Gebiet ab. Untersucht wurde eine etwa Ost-West orientierte Fläche von 18 Meter Länge und sechs Meter Breite, die in zwei Meter mal zwei Meter große schachbrettartig angelegte quadratische Schnitte unterteil war, wobei die Funde jeweils ein Meter mal ein Meter großen Quadraten zugeordnet wurden (Abbildungen 1 und 2). Bei der Ausgrabung kamen die Reste weiterer Schlackenhalden zutage.

Eine deutlich fassbare, wahrscheinlich ältere Halde lag östlich der beiden auch noch oberflächliche sichtbaren Halden. Zwischen den beiden oberflächlich erkennbaren Halden kam unmittelbar unter der Geländeoberfläche ein bisher einzigartiger Doppelofen zum Vorschein (Abbildung 3). Der Ofenbefund lässt sich anhand erster Radiokohlenstoff-Analysen eindeutig ins 10. Jahrhundert nach Christus datieren, in die Zeit der ottonischen Könige und Kaiser. Die Ofenanlage bestand aus zwei mit den Rückwänden aneinander gesetzten Schachtöfen aus Lehm, die ungewöhnliche querovale Ofenkammern von circa 90 Zentimeter mal 35 Zentimeter Innengröße besaßen.

An den Vorderseiten waren die Ofenwandungen ausgebrochen. Die Rückseiten der Öfen waren vollständig verschmolzenen. Auf der Sole der Öfen hatten sich in Randbereichen noch Reste der Ofenbodenschlacke in situ erhalten. Den identischen Öfen waren jeweils flache Gruben vorgelagert, in die die Schlacke abgestochen wurde (Abbildung 4). Bei dem Verhütungsprozess im Rennfeuerverfahren, auch direktes Verfahren genannt, wurden Eisenerz und Holzkohle etwa im Verhältnis eins zu 1,5 in einen Ofenschacht gegeben und unter Sauerstoffzufuhr bei Temperaturen von über 1000 Grad Celsius verhüttet.

Dabei bildetet sich durch die Reaktion von Eisengehalten des Erzes mit Quarz Schlacke, die man zum größten Teil aus dem Ofen fließen ließ. Im unteren Bereich des Ofens blieb über einer flachen Ofenbodenschlacke (Ofensau) ein teigiger bis fester Eisenschwamm zurück, die sogenannte Luppe. Um sie zu entnehmen, wurde die Ofenbrust aufgebrochen. Nach Wiederverschließen konnte der Ofen erneut genutzt werden. Die noch mit Schlacke und Erzstücken verunreinigte Eisenluppe musste, um ein homogenes, für die Verarbeitung zu Eisenobjekten geeignetes Eisen zu erhalten, anschließend mehrfach, ausgeschmiedet werden. Wahrscheinlich wurde mit den Doppelöfen eine Rationalisierung angestrebt.

Die künstliche Luftzufuhr mittels Blasebalg während der viele Stunden dauernden Ofenreise konnte hier für zwei Öfen gleichzeitig erfolgen. Bruchstücke der Keramikdüsen, durch die der Sauerstoff in die Öfen geblasen wurde, fanden sich in den beiden den Öfen vorgelagerten Halden. Das sehr umfangreiche geborgene Material der Haldenkörper besteht überwiegend aus den verschiedenen bei der Rennfeuerverhüttung anfallenden Schlacken: Fließschlacke, Ofenschlacke und Ofenbodenschlacke. Daneben kommen Ofenwandungsteile, auffällig viel Erz und Holzkohle vor. Die noch laufende Auswertung des Haldenmaterials von mehreren Tonnen Gewicht lässt neben Ergebnissen zur Technologie der Eisengewinnung sowie zur Produktionsmenge auch wichtige Erkenntnisse zur Waldnutzung und Umweltgeschichte erwarten. Die bei der Grabung am Oberen Huhnholz geborgenen Holzkohlen werden durch Monika Hellmund am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt anthrakologisch untersucht. Die zahlreichen, zum Teil recht großen Erzstücke weisen darauf, dass der in circa 750 Meter Entfernung am Büchenberg abgebaute Roteisenstein am Verhüttungsplatz nicht nur zerkleinert, sondern auch ausgelesen wurde (Abbildungen 5 und 6).

Es ist daher zu vermuten, dass der Abbau nicht von den am Oberen Huhnholz temporär tätigen Hüttenleuten selbst durchgeführt wurde. Die Lage der jeweils nur kurzzeitig betriebene Rennofenplätze im Umfeld der reichen Erzlagerstätten des Elbingeröder Komplexes wird sich an den für die Holzkohlerstellung zur Verfügung stehenden Holzvorkommen orientiert haben (Abbildung 7). Auffällig ist, dass bei der Ausgrabung am Oberen Huhnholz wie auch bei Grabungen am Kleinen Schmidtskopf (siehe Fund des Monats Mai 2008) sowie auf zahlreichen in den letzten Jahren entdeckten, meist durch Forstarbeiten beeinträchtigen Rennfeuerplätzen im Raum Elbingerode keine Schmiederückstände (Schmiedeschlacken, Hammerschlag) gefunden wurden. Es zeichnet sich somit ab, dass an den temporären Verhüttungsplätzen im Bereich des königlichen Bodfeldforstes um Elbingerode folgenden Arbeitsschritte durchgeführt wurden: Holzkohleherstellung (überwiegend aus Rotbuche), Aufbereitung von in der Umgebung abgebauten Eisenzerzen (überwiegend Roteisenstein), Verhüttung von Eisenerz in Rennöfen mit Schlackeabstich.

Das Ausschmieden der gewonnenen Eisenluppen erfolgte nicht vor Ort im Gebirge. Noch weitgehend hypothetisch sind für die Siedlungen und Königshöfe (Derenburg, Reddeber) am Harzrand beziehungsweise im Harzvorland folgende Tätigkeiten anzunehmen: Ausschmieden der Eisenluppen, gegebenenfalls Aufkohlen des Schmiedeeisens (Stahl), Weiterverarbeitung des Eisens (zum Beispiel Waffenherstellung).


Text: Götz Alper, Thomas Kubenz, Marcel Röder
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

Literatur

Götz Alper, Eisen für den König – eine frühmittelalterliche Ofendüse aus dem Harz.

Götz Alper, Archäologische Untersuchungen zur Eisengewinnung am ›Kleinen Schmidtskopf‹ bei Elbingerode, Lkr. Harz. Jahresschrift für Mitteldeutsche Vorgeschichte 95, 2016, 201–242.

Götz Alper/Anna Swieder, Montanarchäologie im Ostharz – gestern, heute, morgen. Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 2/2022, 75–81.

Radomír Pleiner, Iron in Archaeology. The European Bloomery Smelters (Praha 2000).

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